Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB 5. Ruhen des Anspruchs bei Auslandsaufenthalt. selbstbeschaffte Bauch- und Bruststraffungsoperation in der Türkei. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 1 KR 1/18 R
Orientierungssatz
1. Ein Versicherter kann seinen infolge der Genehmigungsfiktion bestehenden Anspruch nicht durch eine im (vertragslosen) Ausland selbst beschaffte Leistung realisieren, denn aufgrund seines Aufenthalts im Ausland ruht der Anspruch aus § 13 Abs 3a S 6 SGB 5 gemäß § 16 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 5.
2. Zum Anspruch auf Kostenerstattung für eine in der Türkei selbst beschaffte Bruststraffungsoperation sowie Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer operativen Entfernung überschüssiger Haut im Brust- und Bauchbereich in der Türkei.
Der 1997 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger litt im Alter von 14 Jahren an einer hochgradigen Adipositas (160 kg bei 160 cm). Infolgedessen kam es beidseits zur Entwicklung von Brüsten (Gynäkomastie). Der Kläger reduzierte sein Gewicht durch konsequente Ernährungsumstellung und regelmäßigen Sport um mehr als 60 kg auf 97 kg bei einer Körpergröße von nunmehr 180 cm. Der Kläger beantragte mit am 27. November 2014 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben einen operativen Eingriff zur Entfernung der überschüssigen Haut im Brust- und Bauchbereich und legte verschiedene ärztliche Bescheinigungen vor. Das Agaplesion M.krankenhaus diagnostizierte eine lokalisierte Adipositas am Bauch, Gynäkomastie beidseits bei Z.n. Gewichtsreduktion von 60 kg. Als Therapie wurde eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik mit Nabelverlagerung und eine Bruststraffung beidseits vorgeschlagen. Im Attest hieß es: Der schmerzhafte Hautlappen am Bauch behindere den Patienten in seinen Aktivitäten des täglichen Lebens und beim Sport. Die Hautlappen rieben aneinander und entwickelten wiederkehrende Infektionen im Bereich der Unterbauchfalte. Die beiden Brüste zeigten weibliche Formen nach Klassifikation Tanner Stadium IV (Attest des Agaplesion M. Krankenhauses vom 3. November 2014). Sowohl der Urologe C. als auch die Gynäkologin D. befürworteten die Hautstraffungsoperationen an Brust und Bauch (Attest des Urologen C. vom 29. September 2014, Attest der Gynäkologin D. vom 1. Oktober 2014). Die Beklagte bestätigte gegenüber dem Kläger den Eingang des Antrages mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 und kündigte eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an. Gleichzeitig forderte sie den Kläger auf, eine Fotodokumentation sowie einen dermatologischen Bericht vorzulegen. Der Kläger legte die angeforderte Fotodokumentation sowie weitere Arztberichte mit Schreiben vom 27. Dezember 2014 vor: Die Hausärztin E. erachtete mit Attest vom 25. November 2014 den Eingriff als aus psychischen Gründen notwendig. Die Hautärztin Dr. F. beschrieb psychische Probleme als auch die Gefahr rezidivierender Entzündungen an Brust- und Bauchfalten. Die Beklagte veranlasste am 29. Dezember 2014 eine sozialmedizinische Begutachtung durch den MDK und unterrichtete den Kläger mit Schreiben gleichen Datums darüber, dass er benachrichtigt würde, sobald ihr das Gutachten vorliege. Dr. G. vom MDK gelangte in einem Gutachten vom 7. Januar 2015 zu der Einschätzung, dass mangels Erkrankung, funktioneller Einschränkungen und Entstellung die beantragte Operation nicht befürwortet werden könne. Die Weiterführung von Körpertraining, weitere Gewichtsreduktion, sorgfältige Hautpflege sowie das Tragen angepasster Kleidung werde empfohlen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. Januar 2015 die Übernahme der beantragten Operationen unter Verweis auf das Ergebnis des MDK-Gutachtens ab. Den Widerspruch des Klägers vom 29. Januar 2015 wies die Beklagte nach Einholung weiterer Stellungnahmen des MDK vom 27. März und 27. April 2015 - unter Auswertung der Atteste der Hausärztin E. vom 21. Januar und vom 21. April 2015 - mit Widerspruchbescheid vom 24. Juni 2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Juli 2015 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben.
Der Kläger hat - während des Klageverfahrens - am 7. August 2015 die begehrten Hautstraffungsoperationen im Brust- und Bauchbereich in der Türkei durchführen lassen und die Rechnung des Krankenhauses “H.„ vom 7. August 2015 über 12.727,88 Lyra, was nach den Angaben des Klägers einem Betrag von 4.200,- € entspreche, vorgelegt.
Zur Begründung seiner auf Kostenerstattung umgestellten Klage hat der Kläger auf Atteste des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten J. vom 16. November 2015 (Diagnosen: Atypische Bulimia nervo...