Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung Hessen. erweiterte Honorarverteilung. Beitragsbemessung. Sachkostenabzug. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu rechtfertigen ist die mit einer grundsätzlich am Umsatz und nicht am Gewinn orientierten Finanzierung der EHV einhergehenden Durchbrechung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit bzw. die entsprechende Ungleichbehandlung nur, wenn nicht außer Acht gelassen wird, dass aus den Honoraren für die erbrachten vertragsärztlichen Leistungen die bei deren Erbringung entstandenen Kosten erwirtschaftet werden müssen. Wenn vertragsärztliche Umsätze verschiedener Arztgruppen nicht mehr tendenziell Überschüsse in ähnlicher Größenordnung erwarten lassen, muss dies bei Belastungen, die allein an Umsätzen ausgerichtet seien, berücksichtigt werden.

2. Es führt zur Unangemessenheit von § 3 GEHV (juris: ErwHVGrs HE), dass der Satzungsgeber nicht einmal den Versuch unternommen hat, die vorhandenen unterschiedlichen Kostenstrukturen zwischen den Arztgruppen zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 6 KA 12/18 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat auch die Kosten der Berufung zu tragen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der EHV-Beitragsklasse 9 anstatt der Beitragsklasse 2 und des EHV-Beitrags in Höhe von 5.794,00 € anstatt 1.254,00 € pro Quartal nach den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten (GEHV) für das Beitragsjahr 2013/2014 und hierbei insbesondere um die fehlende Berücksichtigung von Dialysesachkosten nach Kapitel 40.14 EBM-Ä als besondere Praxiskosten.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Sie übt ihre vertragsärztliche Tätigkeit in einer fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaft zusammen mit dem Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie Herrn C. aus, der zum 1. Januar 2012 für Herrn Dr. D. in die Praxis eingetreten ist.

Die Beklagte stufte mit Bescheid vom 26. Juni 2013 für den Zeitraum 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014 die Klägerin in die Beitragsklasse 9 ein und setzte danach den Beitrag je Quartal auf 5.794,00€, was einem Jahresbetrag von 23.176,00 entspricht, fest. Hierbei ging sie von folgenden Eckdaten aus:

Gesamthonorar 2011

896.158,68 €

Durchschnittshonorar 2010

214.537,75 €

Anteil am Durchschnittshonorar

417,72 %

Ermittelte Beitragsklasse

9

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Juli 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf ihren Widerspruch für das Vorjahr mit Schreiben vom 13. September 2012, in dem sie bereits der Änderung der GEHV widersprochen habe. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2013 führte sie weiter aus, die Leistungen des Abschnitts 40.14 EBM-Ä dürften im Rahmen der EHV-Systematik keine Berücksichtigung finden. Die Maßnahme belaste die Praxis in deutlich höherem Maße als bisher, ohne dass hierfür ein angemessener Gegenwert entstehe. Sie verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nur die Gruppe der Nephrologen belastet werde, die die erbrachten nichtärztlichen Dialyseleistungen selbst gemäß Abschnitt 40.14 EBM-Ä abrechneten. Die Kostenerstattungsregelungen des Abschnitts 40.14 EBM-Ä seien generell für die EHV aufgrund ihres Kostenerstattungscharakters ungeeignet und belasteten die diese Leistungen abrechnenden Ärzte in sachwidriger Weise. Die gegenüber den Vorquartalen deutlich höhere Belastung erbringe nur einen marginalen Leistungsvorteil gegenüber der vorherigen Situation, wobei die Werthaltigkeit aufgrund der zukünftigen finanziellen Entwicklung des EHV-Gefüges noch nicht einmal gewährleistet werden könne. In Hessen existierten drei unterschiedliche Versorgungsmodelle im Bereich der Dialysebehandlung. Neben ihrem Modell gebe es nephrologische Praxen, die die nichtärztlichen Dialyseleistungen auf der Basis eines Zusammenwirkens mit einer nichtärztlichen Einrichtung gemäß § 196 Abs. 3 SGB V abrechneten. Diese Ärzte rechneten die nichtärztlichen Dialyseleistungen nicht selbst ab. Die Abrechnung geschehe unmittelbar durch die nichtärztliche Einrichtung, die ihrerseits den Ärzten für die in den Dialysezentren erledigten umfangreichen Regiearbeiten eine Vergütung zahlten, die in die EHV nicht einzubeziehen sei. Auch in ihrer Praxis fänden diese Regiearbeiten statt. Ähnlich verhalte es sich in den ärztlich geleiteten ermächtigten Dialyseeinrichtungen, die mit ärztlichen Leitern kooperierten, die ihrerseits als Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie als Vertragsärzte zugelassen seien. Auch diese Ärzte erhielten Vergütungen, die ebenfalls von der EHV-Verteilung nicht erfasst würden. Darin liege die Ungleichbehandlung. Nichtärztliche Dialyseleistungen seien grundsätzlich nicht geeignet, ...

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