Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. wesentliche Bedingung. unfallbedingte Bandscheibenverletzung. Voraussetzung. aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft. Standardwerk der unfallversicherungsrechtlichen Literatur. Anheben eines 20 kg schweren Kartons
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung eines unfallbedingten Bandscheibenschadens (hier: Anheben eines 20 kg schweren Kartons) mangels Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität.
2. Traumatisch bedingte Bandscheibenvorfälle gehen stets mit begleitenden knöchernen oder ligamentären Verletzungen einher. Dies entspricht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft, wie er sich aus den Standardwerken der unfallversicherungsrechtlichen Literatur ergibt.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung des Ereignisses vom 1. Mai 2010 als Arbeitsunfall.
Die 1976 geborene Klägerin stand nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag mit C. Deutschland Inc., A-Stadt, seit dem 1. August 2008 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Mitarbeiterin im Rotationssystem. Am 1. Mai 2010 war die Klägerin in einer C. Filiale in C-Stadt eingesetzt, als sie eine Kiste mit Cola-Konzentrat anhob, die etwa 20 kg wog, um den Getränkeautomaten aufzufüllen.
Der Arbeitgeber der Klägerin zeigte am 14. Juli 2012 einen Unfall bei der Beklagten an. Beigefügt war ein Unfallbericht der Klägerin vom 11. Juli 2012 an ihren Arbeitgeber, wonach sie am 1. Mai 2010, ca. 18:00 Uhr, im Lager einen Karton mit Cola von unten nach oben bis zum Brustkorb und mit Drehen nach links gehoben habe. In diesem Moment habe sie Druck am Ende der Wirbelsäule gefühlt, sie habe sich gebogen und mindestens drei Wirbelkörper hätten sich „nach oben zusammengestapelt“, danach nach unten und der letzte Teil der Wirbelsäule sei vorgesprungen. Ab dem nächsten oder übernächsten Tag habe sie nicht mehr stehen können, ihr Kreuzbein sei „zerrissen“ gewesen. Mit jeder Bewegung habe es „links und rechts gewackelt“, sie habe es nicht mehr kontrollieren können. Mit jeder Vorneigung und Drehung nach links oder rechts habe sich ihr „rechtes Bein gezogen“.
Am 10. Januar 2013 leitete die Beklagte ein Verwaltungsverfahren im Hinblick auf das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ein.
Zuvor hatte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2012 bei der Beklagten bereits beantragt, ihren Bandscheibenvorfall L5/S1 seit 14. Mai 2010 als Berufskrankheit anzuerkennen. Die Beklagte hatte dazu Ermittlungen im Hinblick auf die Belastungen nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell eingeleitet.
Nach der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. D. vom 13. September 2012 sei die 36 Jahre alte Versicherte nach der Dokumentation von 1997 bis 2004 in Bulgarien tätig gewesen. Sie sei dort als Grünflächenmitarbeiterin, als Putzfrau sowie als Operator und Maschinenschreiberin tätig gewesen. Seit 2004 sei sie als Mitarbeiterin bei C. tätig. Es sei dokumentiert, dass die Versicherte wegen einer Lumbalgie mit Ausstrahlung in das rechte Bein behandlungsbedürftig geworden sei. Im Mai und Juli 2010 seien MRT-Untersuchungen erfolgt. Diese hätten eine beginnende Degeneration der Bandscheiben L4/L5 und eine Chondrose bei L5/S1 ergeben. Im Juli 2010 sei ein kleiner Prolaps mit Kontakt zur rechten S1-Wurzel beschrieben. Am 27. Juni 2012 sei ein globaler Bandscheibenvorfall bei L5/S1 operativ entfernt worden. Die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2108) könne nicht anerkannt werden, da die Expositionszeit lediglich sechs Jahre bis zum Vollbeweis des bandscheibenbedingten Leidens betragen habe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2108 mit Bescheid vom 8. November 2012 ab.
Im Hinblick auf den angegebenen Unfall vom 1. Mai 2010 holte die Beklagte eine Stellungnahme bei dem behandelnden Orthopäden Dr. E. ein. Dr. E. teilte mit Schreiben vom 8. Februar 2013 mit, von einem Arbeitsunfall sei ihm nichts bekannt. Die Patientin habe sich am 14. Mai 2010 in seiner Sprechstunde vorgestellt und angegeben, seit drei Wochen Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein zu haben. Er habe eine Lumboischialgie rechts diagnostiziert.
Mit Bescheid vom 24. April 2013 lehnte die Beklagte eine Entschädigung für das Ereignis vom 1. Mai 2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) habe nicht vorgelegen. Danach seien Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führten. Ein solches, von außen einwirkendes Ereignis liege bei der Klägerin nicht vor. Nach der Schilderung der Klägerin handele es sich bei dem Vorg...