Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage. fehlende Prozessführungsbefugnis eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft für deren weitere Mitglieder bei Geltendmachung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Individualansprüche. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung nach Zuzug des Ehegatten und der Kinder

 

Orientierungssatz

1. Die von Amts wegen zu prüfende Prozessführungsbefugnis liegt vor, wenn der Kläger prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen den von ihm geltend gemachten Anspruch als alleiniger potenzieller Rechtsinhaber gerichtlich durchzusetzen.

2. Die Bedarfsgemeinschaft des SGB 2 ist keine juristische Person. Die Ansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bleiben als Individualansprüche dem einzelnen Mitglied zugeordnet (Anschluss an BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R = BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16).

3. Dies gilt nicht nur für den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2, sondern auch für die Gewährung von Leistungen für die Wohnungserstausstattung nach § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2.

4. Ist eine Differenzierung der Kosten der Wohnungserstausstattung nach den jeweiligen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft möglich, so sind die jeweiligen Ansprüche individuell von dem einzelnen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geltend zu machen.

5. Die Rechtsvermutung des § 38 Abs 1 SGB 2 berechtigt den Kläger nicht zur Geltendmachung der Ansprüche für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Die Wirkung des § 38 Abs 1 SGB 2 beschränkt sich auf das Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

6. Eine vom Kläger für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung nach § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 erhobene Klage ist damit mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers unzulässig.

7. Zum Begriff der Erstausstattung und zu den gem § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 berücksichtigungsfähigen Gegenständen, die für eine geordnete Haushaltsführung und für ein an herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes menschenwürdiges Wohnens notwendig sind.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 73 Abs. 6 S. 3; SGB I §§ 14-15; SGB II § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Abs. 3, § 9 Abs. 2 S. 3, § 24 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1-3, Sätze 2, 5, § 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 38 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Wohnungserstausstattung.

Der 1967 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein und nahm seinen Wohnsitz zunächst in C-Stadt, wo er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom dort örtlich zuständigen Grundsicherungsträger bezog. Nachdem der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis erworben hatte, reisten die Ehefrau des Klägers - D. D. - und die beiden zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährigen Kinder E. A. und F. A. zum Zweck der Familienzusammenführung am 25. Februar 2012 ebenfalls in das Bundesgebiet ein. Die Familie lebte zunächst in der vom Kläger in C-Stadt angemieteten und nach seinen Angaben mit finanzieller Unterstützung des dortigen Grundsicherungsträgers eingerichteten Wohnung.

Wegen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Kläger zog die Familie im September 2012 mit Zustimmung des zuständigen Grundsicherungsträgers nach A-Stadt um. Der Kläger mietete in A-Stadt zum 1. September 2012 eine 3-Zimmer-Wohnung in der A-Straße an, nachdem zuvor das Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf in Absprache mit dem Beklagten die für diese Wohnung anfallende Gesamtmiete als angemessen anerkannt hatte. Die Übernahme der Kosten für die Einzugsrenovierung lehnte der Beklagte zunächst ab (vgl. Schreiben vom 23. August 2012).

Auf den Antrag vom 3. September 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Familie ab 1. September 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter fiktiver Anrechnung des voraussichtlich aus der aufgenommenen Erwerbstätigkeit durch den Kläger erzielten Einkommens (Bescheid vom 18. September 2012).

Am 27. September 2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Erstausstattungsleistungen für seine Familie. Er gab an, dass seine Familie, als sie nach Deutschland gekommen sei, keine Leistungen für Möbel erhalten habe. Der Kläger fügte seinem Antrag ein Verzeichnis über die von seiner Familie benötigen Einrichtungsgegenstände bei. Insoweit wird auf die Anlage zum Schreiben des Klägers vom 27. September 2012 (Bl. 122 der Leistungsakte) Bezug genommen. Auf Nachfrage des Beklagten gab der Kläger am 25. Oktober 2015 an, er habe seine Möbel aus C-Stadt mitgenommen, allerdings habe er dort nicht ü...

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