Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH. Mehrheitsgesellschafterin. Treuhandvertrag. Quotentreuhand. kein Beurkundungszwang. nur schuldrechtliche Wirkung zwischen Vertragsparteien. unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Treugebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Treuhandvertrag bezüglich eines Teils am Geschäftsanteil einer GmbH (Quotentreuhand) unterliegt im Vorgründungsstadium nicht dem Beurkundungszwang des § 15 Abs 4 GmbHG.

2. Der formfreie Treuhandvertrag hat auf die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung des Mehrheitsgesellschafters - Geschäftsführers / Treuhänders keine Auswirkung. Er entfaltet lediglich schuldrechtliche Wirkungen zwischen den Vertragsparteien. Der maßgebliche Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft liegt beim Mehrheitsgesellschafter - Geschäftsführer / Treuhänder. Dieser ist aufgrund der ihm zustehenden Rechtsmacht nicht abhängig beschäftigt, sondern selbständig tätig.

3. Eine im Treuhandvertrag erteilte unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Treugebers führt nicht dazu, dass der maßgebliche Einfluss auf die Willensbildung beim Treugeber liegt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.05.2020; Aktenzeichen B 12 KR 30/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht der versicherungsrechtliche Status der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Beigeladen zu 1) im Zeitraum vom 2. November 2011 bis 31. Dezember 2012 im Streit.

Im Zeitraum vom 15. Juli 2013 bis 4. Dezember 2013 führte die Beklagte bei der Beigeladenen zu 1) eine den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012 betreffende Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Dabei stellte sie fest, dass die durch notariellen Vertrag vom 30. Dezember 2008 gegründete Beigeladene zu 1) über ein Stammkapital von EUR 25.000,00 verfügt, von dem die Klägerin ausweislich § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 30. Dezember 2008 einen Nennbetrag i.H.v. EUR 17.500,00 hält (= 70 % des Stammkapitals). Die weiteren EUR 7.500,00 (= 30 % des Stammkapitals) hält der Sohn der Klägerin E. A. Gegenstand der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), welche beim Amtsgericht Marburg unter dem Aktenzeichen xxx1 am 25. Februar 2009 eingetragen wurde, ist gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages vom 30. Dezember 2008 der weltweite Vertrieb von eigenen und fremden Brandschutzsystemen, Abschottungen und Betonbeschichtungen sowie die innovative Produkt- und Systementwicklung, die Entwicklung von Kalkulationsprogrammen sowie die Durchführung von Schulungen und Informationsveranstaltungen rund um den Brandschutz. Gesellschafterbeschlüsse werden gemäß § 9 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 30. Dezember 2008 mit der Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefasst. Gemäß § 9 Nr. 2 werden mit 75 % der Stimmen aller Gesellschafter Beschlüsse über die Auflösung der Gesellschaft, die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, die Vertretung der Gesellschaft durch den / die Geschäftsführer und deren Geschäftsführung (§§ 6-8 Gesellschaftsvertrag) sowie die Übertragung von Geschäftsanteilen (§ 13) gefasst. Die Klägerin war vom 25. Februar 2009 (Eintragung in das Handelsregister) bis 18. Januar 2012 alleinvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreite Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1). Einen gesonderten Geschäftsführer-Anstellungsvertrag gab es nicht. Seit 19. Januar 2012 (Eintragung in das Handelsregister) ist ihr Ehemann F. A. alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag wurde bereits am 19. November 2011 geschlossen. Zugleich wurde die Klägerin mit Arbeitsvertrag vom 1. Januar 2012 als Sachbearbeiterin im Bereich Auftragsbearbeitung, Beratung und Softwarepflege eingestellt. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 4) pflegeversichert.

Die Klägerin wurde trotz ihrer Beteiligung am Stammkapital von über 50 % von Beginn ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) als versicherungs- und beitragspflichtige Arbeitnehmerin im Rahmen einer Vollzeittätigkeit geführt. Im Rahmen der Betriebsprüfung entstand Streit über den Status der Klägerin. So gaben beide Gesellschafter gegenüber der Beklagten in von ihnen unter dem 9. August 2013 unterschriebenen Feststellungsbögen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines GmbH-Gesellschafters an, dass das Stimmrecht nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung (Treuhandvertrag) zugunsten eines Dritten ausgeübt werde. Der Ehemann F. A. hingegen gab unter dem 2. September 2013 an, die Klägerin könne nur über einen Nen...

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