Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. keine Fortwirkung des ursprünglichen Leistungsantrages. keine Wiedereinsetzung. Hinweis auf Folgeantrag. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Dies gilt auch für Folgeanträge nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes.
2. Ein früherer Leistungsantrag entfaltet keine Wirkung für neue Bewilligungszeiträume.
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Verhinderung an einer früheren Antragstellung ist ausgeschlossen, weil es sich bei dem Antragserfordernis nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 nicht um eine gesetzliche Frist iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB 10 handelt.
4. Ist der Grundsicherungsträger seiner Verpflichtung nachgekommen, den Hilfebedürftigen auf die Notwendigkeit eines Folgeantrages rechtzeitig hinzuweisen, kann der Hilfebedürftige auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als hätte er den Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juni 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander für das Klage- und Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 12. Februar 2006.
Der 1943 geborene Kläger bezieht aufgrund seines Antrages vom 20. Dezember 2004 seit dem 1. Januar 2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuvor hatte er Arbeitslosenhilfe (Alhi) seitens der Agentur für Arbeit unter erleichterten Bedingungen bezogen. Auf seinen Antrag vom 20. Dezember 2004 bewilligte zunächst die Agentur für Arbeit A-Stadt die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005.
Durch Bescheid vom 23. Mai 2005 bewilligte der Beklagte im Anschluss daran dem Kläger Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 703,44 € für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005. Dieser Bescheid enthält u. a. folgenden schreibtechnisch herausgehobenen Hinweis: “Sollten Sie über das Ende des Gewährungszeitraumes hinaus weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II benötigen, bitten wir Sie, rechtzeitig (ca. 4 Wochen) vor Ablauf des Gewährungszeitraumes, die Weitergewährung der Leistungen zu beantragen„.
Ausweislich der Verwaltungsakte des Beklagten wies dieser die Leistungen auf Wunsch des Klägers, der kein eigenes Girokonto hatte, dem Konto seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau an, die - nach Vortrag des Klägers - sodann die Unterkunftskosten beglich und ihm den Restbetrag in bar auszahlte.
Nachdem der Kläger Ende Januar 2006 keine Leistungen für den genannten Monat erhalten hatte, stellte er mit am 30. Januar 2006 unterschriebenem Formular - bei dem Beklagten eingegangen am 13. Februar 2006 - einen Antrag auf Weiterbewilligung, woraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2006 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 13. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 bewilligte.
Den hiergegen vom Kläger am 15. März 2006 erhobenen und nach Erlass der Änderungsbescheide des Beklagten vom 20. und 21. Juni bzw. 2. August 2006 nur noch bezüglich des Beginns der Leistungen zum 1. Januar 2006 aufrecht erhaltenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe nach Ablauf des Bewilligungszeitraums am 31. Dezember 2005 spätestens an jenem Tage einen Folgeantrag stellen müssen. Dies habe er aufgrund des Hinweises im Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 2005 auch gewusst. Er könne daher Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 12. Februar 2006 nicht beanspruchen. Dies ergebe sich aus dem Antragserfordernis des § 37 SGB II. Danach habe der Antrag erhebliche verfahrensrechtliche Bedeutung, so dass ein verspäteter Antrag einen begrenzten Rechtsverlust bewirke. Ohne Antragstellung sei der Leistungsträger schließlich weder verpflichtet noch berechtigt, tätig zu werden.
Mit der hierauf am 19. Dezember 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage begehrt der Kläger über die bewilligten Leistungen hinaus auch Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 12. Februar 2006. Er habe seinerzeit den Fortzahlungsantrag erst gestellt, nachdem er bemerkt habe, dass Ende Januar 2006 keine Leistungen überwiesen worden seien. Den Hinweis in dem Bescheid vom 23. Mai 2005 habe er übersehen. Er habe nämlich nicht mit einem solchen Hinweis, sondern damit gerechnet, dass er die Formulare zur Weitergewährung zugesandt erhalte, wie dies bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) üblich gewesen sei. Zwar schreibe § 37 Abs. 1 SGB...