Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Weiterzahlung von Arbeitslosengeld bei streitiger Erwerbsfähigkeit des Arbeitslosen - Nahtlosigkeitsregelung
Orientierungssatz
1. Die Fiktion objektiver Verfügbarkeit des Arbeitslosen bei der sog. Nahtlosigkeitsregelung des § 145 Abs. 1 S. 1 SGB 3 und damit deren Sperrwirkung dauert bis zur Feststellung, dass verminderte Erwerbsfähigkeit i. S. von § 43 Abs. 1 bis 3 SGB 6 vorliegt. Diese Feststellung ist nach § 145 Abs. 1 S. 2 SGB 3 vom Rentenversicherungsträger zu treffen.
2. Mit der Feststellung des Rentenversicherungsträgers entfällt der Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung. Die Vermeidung eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung erfordert keine zeitlich unbegrenzte Nahtlosigkeitsregelung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rentenverfahrens (BSG Urteil vom 12. 12. 2017, B 11 AL 27/16 R).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 4. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Weiterzahlung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - ab dem 28. April 2019.
Der 1963 geborene Kläger beantragte nach Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 3. April 2018. Im Antrag vom 6. April 2018 gab er an, weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein. Die Beklagte übersandte ihm sodann mit Schreiben vom 6. April 2018 ein Merkblatt über das Verfahren nach § 145 SGB III sowie einen von ihm auszufüllenden Gesundheitsfragebogen.
Mit Bescheiden vom 9. und 11. Juli 2018 bewilligte die Beklagte dem Kläger aufgrund des noch fehlenden ärztlichen Gutachtens zunächst vorläufig Arbeitslosengeld ab dem 3. April 2018 für 450 Kalendertage in Höhe von 50,34 € täglich. Mit sozialmedizinischer gutachterlicher Stellungnahme vom 10. August 2018 wurde mitgeteilt, dass das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend trennscharf innerhalb der 6-Monats-Frist gutachterlich terminiert werden könne, so dass aus agenturärztlicher Sicht die medizinischen Voraussetzungen nach § 145 SGB III zu bejahen seien. Hierauf bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2018 abschließend Arbeitslosengeld mit vorgenannter Dauer und Höhe und forderte den Kläger mit Schreiben gleichen Datums auf, innerhalb der Frist von einem Monat einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen; dieser Antrag gelte als Rentenantrag, sollten Rehabilitationsleistungen nicht in Betracht kommen.
Mit Schreiben vom 6. September 2018 beantragte der Kläger sodann über die Beklagte Leistungen zur Rehabilitation bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen. Den Antrag leitete die Beklagte zusammen mit dem ärztlichen Gutachten vom 10. August 2018 an den Rentenversicherungsträger weiter, mit der Bitte zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Dieser stellte nach ärztlichen Stellungnahmen vom 7. November 2018 und 7. Dezember 2018 mit am 20. Dezember 2018 unterschriebener Verfügung das Vorliegen einer zeitlich befristeten vollen Erwerbsminderung bei dem Kläger fest. Mit Bescheid vom 2. Januar 2019 lehnte der Rentenversicherungsträger den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab, weil die Erwerbsfähigkeit durch solche Leistungen nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Mit weiterem Schreiben vom 2. Januar 2019 teilte er dem Kläger zudem mit, der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gelte als Antrag auf Rente. Um das Rentenverfahren durchführen zu können, werde er gebeten, bei einer zuständigen Stelle ein Rentenantragsformular auszufüllen. Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 legte der Kläger sodann beim Rentenversicherungsträger “gegen den Bescheid vom 02.01.2019“ Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen formularmäßigen Rentenantrag bei dem Rentenversicherungsträger zu stellen und dies bis zum 15. März 2019 nachzuweisen. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Datum belehrte die Beklagte den Kläger über seine Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Feststellung, ob eine Erwerbsminderung vorliege durch den zuständigen Rentenversicherungsträger. Mit Schreiben vom 25. Februar 2019, überschrieben mit „Widerspruch, Ihr Schreiben vom 14.02.2019“ teilte der Kläger mit, er wolle mitwirken, habe aber gegen die Umwandlung des Antrags auf Leistungen zur Rehabilitation in einen Rentenantrag bei der Rentenversicherung Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Februar 2019, mit welchem dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung eine Mitwirkung erforderlich sei und wies den Widerspruch mit Wider...