Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Leistungsinhalt einer Anästhesie und/oder Narkose nach Nr 31822 EBM-Ä. Dokumentation des endexspiratorischen CO2-Wertes im Narkoseprotokoll
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsinhalt der GOP 31822 EBM-Ä ist nicht erfüllt, wenn eine Kombinationsnarkose mit Maske nicht über die gesamte Dauer der ambulanten Operation (hier: Kataraktoperation nach GOP 31351) durchgeführt wird. Eine lediglich initiale Narkose zur Durchführung der lokalen Retrobulbäranästhesie reicht nicht aus.
2. Die Dokumentation des endexspiratorischen CO2-Wertes im Narkoseprotokoll genügt dem Erfordernis einer fachspezifischen Dokumentation im Sinne der Präambel Nr 5.1.5 und 6 EBM-Ä 2008 zum Nachweis einer Maskenverwendung im Sinne von GOP 31822 EBM-Ä 2008.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Honorarberichtigung für die Quartale III/08 bis IV/08 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung in Höhe von 56.458,99 €.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Anästhesie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
In den Quartalen I/08 bis IV/08 setzte die Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar der Klägerin wie folgt fest:
|
Quartal |
I/08 |
II/08 |
III/08 |
IV/08 |
Honorarbescheid vom |
09.07.2008 |
27.10.2008 |
20.01.2009 |
31.03.2009 |
Honorar in € |
105.994,27 |
131.308,66 |
110.577,52 |
88.131,11 |
Im Jahr 2012 führte die eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 15. Mai 2012 folgende zeitbezogene Rechnungsergebnisse für die Quartale I/2008 bis IV/2008 unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile:
Quartalsübersicht:
|
Quartal |
Tagesprofil Anzahl Tage |
davon |
Maximale Arbeitszeit pro Tag im Quartal |
Quartalsprofil Zeitsumme |
Überschreitung |
≫12 Std. |
≫ 16 Std. |
Std. : Min. |
Std. : Min. |
I/08 |
18 |
8 |
23:36 |
677:47 |
- |
II/08 |
28 |
11 |
22:56 |
834:32 |
54:32 |
III/08 |
19 |
5 |
22:48 |
691:03 |
- |
IV/08 |
11 |
3 |
22:00 |
573:59 |
- |
Tagesübersicht:
|
Behandlungstag |
Zeitergebnis (Std.) |
11.01.2008 |
21:14 |
14.01.2008 |
18:54 |
06.02.2008 |
17:45 |
03.03.2008 |
23:03 |
07.04.2008 |
22:03 |
28.04.2008 |
17:48 |
09.06.2008 |
21:12 |
27.06.2008 |
22:56 |
02.07.2008 |
19:45 |
04.08.2008 |
22:48 |
11.08.2008 |
17:51 |
15.09.2008 |
22:03 |
27.10.2008 |
21:00 |
17.11.2008 |
18:54 |
01.12.2008 |
22:00 |
Die Beklagte bat um eine schriftliche Stellungnahme, insbesondere auch zu der regelhaft abgerechneten GOP 31822 EBM.
Die Klägerin trug vor, dass die ermittelten Zeitprofile von mehr als 15 Stunden am Tag stets die OP-Tage bei dem Kataraktchirurgen Dr. C. beträfen. Die von der Beklagten ermittelten Spitzentage seien darauf zurückzuführen, dass an manchen Tagen die Anwesenheit in der Taunusklinik erforderlich sei und dort ebenfalls Narkosen für den dortigen Augenarzt durchgeführt worden seien. An diesen Tagen ließe es sich nicht vermeiden, dass sie für zwei Operateure sowohl vormittags, als auch nachmittags zum Einsatz komme. Aus den Narkoseprotokollen sei ersichtlich, dass an solchen Operationstagen eine hohe Anzahl an Operationen stattfinde. Diese hochspezialisierten Abläufe mit sehr kurzen Wechselzeiten zwischen den einzelnen Operationen und die hocheffiziente Organisation im OP funktioniere nur mit gut ausgebildetem Praxispersonal und einem seit vielen Jahren eingespielten OP-Team. So sei es möglich, dass viele Aufgaben an das Personal delegiert werden könnten und dadurch Leistungen überlappend und zeitsparend stattfinden könnten. Die eigentliche OP-Zeit einer Kataraktoperation sei ebenfalls sehr kurz, da der Chirurg ebenfalls sehr erfahren sei. So sei es möglich, dass die OP- und Wechselzeiten in der Regel 35 Minuten nicht überschritten würden. Dadurch ergebe sich die Differenz zu den von der Beklagten als Prüfzeit angesetzten 53 Minuten. In den Fällen, in denen die GOP 31822 EBM abgerechnet worden sei, sei auch eine Kombinationsnarkose erbracht worden. Die Fragestellung sei bereits für die Quartale IV/05 bis I/07 überprüft worden mit dem Ergebnis, dass die Beklagte eine korrekte und plausible Abrechnung bestätigt habe. Die GOP 31822 EBM für die anästhesiologische Betreuung von Patienten zur Kataraktoperation sei regelmäßig quartalsweise nach Rücksprache und im Einvernehmen mit der Abrechnungsstelle der Beklagten in Frankfurt erfolgt.
Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin 22 Narkoseprotokolle und die dazugehörigen Anamnesebögen vor.
Mit Bescheid vom 7. März 2013 hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale III bis IV/08 auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von 31.836,29 Euro für das Quartal III/08 und 24.622,70 Euro für das Quartal IV/08, insgesamt 56.458,99 Euro netto. Die Prüfung de...