Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld bei nicht mitgeteiltem Wohnungswechsel
Orientierungssatz
1. Das Merkmal der Verfügbarkeit des Arbeitslosen als Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld ist dann gegeben, wenn der Arbeitslose Vorschlägen der Arbeitsagentur zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann.
2. Hierzu muss er in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen der Arbeitsagentur persönlich zur Kenntnis zu nehmen, die Agentur aufzusuchen, mit möglichen Arbeitgebern oder Trägern einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
3. Dies ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitslose seinen Wohnsitz verlegt, ohne der Arbeitsagentur den Wohnsitzwechsel mitzuteilen. Ein bei der Post gestellter Nachsendeauftrag ist für die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit nicht ausreichend.
4. Teilt der Arbeitslose dem Leistungsträger den Wechsel seines Wohnsitzes nicht unverzüglich mit, so verletzt er grob fahrlässig seine Mitteilungspflicht, mit der Folge, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes rückwirkend aufzuheben ist.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Rückforderung überzahlter Leistungen (Arbeitslosengeld, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) im Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 in Höhe von insgesamt 23.446,35 DM bzw. 11.987,93 Euro und über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999.
Die 1941 geborene Klägerin bezog von der Beklagten aufgrund des Bescheides vom 1. Oktober 1997 ab dem 4. August 1997 Arbeitslosengeld, ab Januar 1998 in Höhe von 389,34 DM wöchentlich (täglich 55,62 DM). In ihrem Leistungsantrag hatte sie als Wohnanschrift “C-Straße, A-Stadt" angegeben. Am 18. Januar 1999 ging ein an die Klägerin gerichteter Änderungsbescheid bei der Beklagten als Postrücklauf ein, mit dem Vermerk, der Empfänger sei unbekannt verzogen. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 22. Januar 1999 die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 18. Januar 1999 ein.
Am 2. Februar 1999 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld, das die Beklagte ihr mit Bescheid vom 18. Februar 1999 ab dem Tag der erneuten Vorsprache bewilligte. Als Wohnanschrift gab die Klägerin “D-Straße, A-Stadt" an. Gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung legte sie am 11. Februar 1999 Widerspruch ein und machte geltend, bereits zum 1. März 1998 in die D-Straße umgezogen zu sein. Der Sachbearbeiter Herr E. könne sich daran erinnern, dass sie die Adressänderung bereits mitgeteilt hatte. Er habe ihr bei der Neubeantragung am 2. Februar 1999 gesagt, “die D-Straße war doch schon mal im Computer".
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 31. Januar 2000 die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 1. März 1998 ganz auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen (Arbeitslosengeld: 18.031,90 DM, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: 5.414,45 DM). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe der Arbeitsvermittlung aufgrund des nicht angezeigten Umzuges nicht zur Verfügung gestanden.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2000 zurück, weil die Klägerin ihren Pflichten aus der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie habe ihre Pflicht zur Mitteilung der neuen Anschrift grob fahrlässig verletzt. Die Bewilligung von ALG sei demnach gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. mit § 330 Abs. 3 SGB III aufzuheben gewesen.
Gegen den am 19. Februar 2001 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 27. Februar 2001 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat vorgetragen, auch nach ihrem Umzug durch den erteilten Postnachsendeauftrag erreichbar gewesen zu sein. So sei sie auch einem undatierten Schreiben der Beklagten nachgekommen, durch das sie gebeten worden sei, spätestens am 14. April 1998 persönlich vorzusprechen. Auf diesem Schreiben habe sie selbst die Adresse geändert und ihre neue Adresse bei der Vorsprache am 9. April 1998 dem Sachbearbeiter E. mitgeteilt.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 26. September 2005 unter Hinweis auf die Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass weder aus der Leistungsakte noch aus den elektronischen Beratungsvermerken ersichtlich sei, dass die Klägerin die Änder...