Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Berufungsfrist. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. vollständige und richtige Rechtsmittelbelehrung. Verschulden. mehrwöchiger Urlaub
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsmittelbelehrung ist auch ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen, vollständig und richtig. Die Einlegung eines Rechtsmittels mittels elektronischen Dokuments unterliegt besonderen Voraussetzungen und Umständen auf die nicht gesondert hingewiesen werden muss.
2. Die notwendige Wegweiserfunktion der Rechtsmittelbelehrung ist auch erfüllt, wenn über die zusätzliche Möglichkeit, Dokumente auch elektronisch einreichen zu können, nicht gesondert belehrt worden ist.
3. Es liegt im Verschulden der Klägerin, während eines 5-wöchigen Urlaubs keine Vorsorge für den Erhalt fristauslösender Schriftstücke des Gerichts zu treffen, wenn sie wegen einer etwa 3 Monate vor der Abreise stattgefundenen, mündlichen Verhandlung mit dem Zugang eines Urteils rechnen musste.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Januar 2010 wird als unzulässig verworfen.
II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von 2.924,87 Euro.
Die 1950 geborene Klägerin bezog bis zum 2. Mai 2006 Krankengeld von der B. und ab dem 3. Mai 2006 Arbeitslosengeld (ALG) von der Beklagten in Höhe von 588,90 Euro monatlich (19,63 Euro täglich). Mit Bescheid vom 17. August 2006 gewährte die RV Bund der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Juni 2005 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 752,66 Euro für Juni 2005 und ab Juli 2005 in Höhe von 748,93 Euro monatlich. Die hieraus folgende Nachzahlung für den Zeitraum von Juni 2005 bis September 2006 in Höhe von 11.986,61 Euro überwies die RV Bund Ende August zur Abrechnung an die B. (KK). Die KK behielt 8.290,28 Euro für das von ihr gezahlte Krankengeld ein und zahlte 3.696,33 Euro an die Klägerin aus. Dies teilte die Klägerin der Beklagten am 19. Oktober 2006 mit.
Mit Bescheid vom 9. November 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld gem. § 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 auf. Sie wies die Klägerin darauf hin, dass es zu einer Überzahlung in Höhe von 2.924,87 Euro gekommen sei. Eine Rückzahlung durch die Klägerin komme in Betracht, wenn ein Erstattungsanspruch nicht bestehe oder nicht erfüllt werde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe die mit Bescheid vom 17. August 2006 gewährte Rente den Sozialleistungsträgern bis zum 19. Oktober 2006 mitgeteilt. Die B. habe von der Überzahlung 8.290,28 Euro einbehalten. Weitere Forderungen würden nun von der Beklagten und vom Job-Center geltend gemacht. Wenn sie diese entrichte, verbleibe nicht einmal der zugesicherte Rentenbetrag für die betreffenden Monate.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2007 forderte die Beklagte Erstattung des gezahlten Arbeitslosengeldes von der Klägerin. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2007 zurück. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nach § 142 Abs. 1 Nr. 3 SGB III geruht. Die gezahlten Leistungen seien von der Klägerin zu erstatten, weil ein Erstattungsanspruch von der RV Bund und der B. nicht habe erfüllt werden können. Die RV Bund habe mit befreiender Wirkung an die KK gezahlt und die KK habe mit befreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt.
Am 28. Februar 2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil v. 6. Januar 2010 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Dem Urteil war folgende Rechtsmittelbelehrung beigefügt:
“Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Hessischen Landessozialgericht, Steubenplatz 14, 64293 Darmstadt schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main, Gutleutstraße 136, 60327 Frankfurt schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.„
Gegen das der Klägerin am 16. April 2010 zugestellte Urteil hat diese am 25. Mai 2010 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Sie sei mit ihrem Ehemann vom 13. April bis 16. Mai 2010 bei ihren Kindern in C. zur Erholung gewesen und habe das Urteil deshalb erst nach ihrer Rückkehr erhalten. Während der Urlaubszeit habe eine Nachbarin die Post gesammelt. Die Klägerin habe versäumt, diese auf mögliche Schreiben des Gerichts hinzuweisen und um Mitteilung zu bitten, weil die...