Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Verwaltungsaktsqualität einer Meldepflicht, Sanktionierung einer Meldepflichtverletzung bei Einlegung eines Widerspruchs gegen die Meldeaufforderung. wiederholte Minderung der Leistungsbezüge bei abermaligem Meldeversäumnis vor Erlass eines ersten Minderungsbescheides
Orientierungssatz
1. Eine Meldeaufforderung des Grundsicherungsträgers gemäß § 59 SGB 2 stellt einen Verwaltungsakt dar.
2. Einem Widerspruch gegen eine Meldeaufforderung kam jedenfalls vor dem 1.1.2009 die aufschiebende Wirkung zu, so dass die Sozialbehörde bei Nichtwahrnehmung eines Meldetermins nach Einlegung des Widerspruchs keine Sanktion in Form einer Absenkung der Leistung verhängen konnte, solange die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht beseitigt wurde.
3. Ein vor Erlass des ersten Minderungsbescheides wegen einer Meldepflichtverletzung erfolgtes weiteres Meldeversäumnis kann als fortgesetzte Obliegenheitsverletzung nicht zu einer weiteren Minderung der Leistungsbezüge führen.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. April 2009 sowie die Minderungsbescheide der Beklagten vom 20. August 2007 und vom 23. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 und der Änderungsbescheid vom 21. Juli 2009 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur Rechtsverfolgung in beiden Rechtszügen notwendigen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Minderung der ihm von der Beklagten bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) wegen zweier Meldeversäumnisse.
Der 1955 geborene Kläger erhält nach vorhergehendem Bezug von Arbeitslosenhilfe seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Zuletzt - vor dem streitigen Zeitraum - bewilligte sie mit Bescheid vom 8. Mai 2007, geändert durch Bescheid vom 2. Juni 2007, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2007; ab 1. Juli 2007 betrug die Leistung 662,28 Euro, dabei berücksichtigte die Beklagte die Regelleistung in voller Höhe von 347,00 Euro.
Am 6. Juni 2007 lud sie den Kläger für den 4. Juli 2007 um 10:00 Uhr zum “Arbeitsberatungsgespräch nach dem SGB II" ein. In der Einladung bat sie ihn, einen aktuellen Satz Bewerbungsunterlagen sowie das Bewerbertagebuch mitzubringen, und belehrte ihn über die Rechtsfolgen, falls er nicht erscheine.
Der Kläger legte durch Schreiben vom 20. Juni 2007, eingegangen bei der Beklagten am folgenden Tag, Widerspruch gegen die Meldeaufforderung ein, den er insbesondere damit begründete, dass die Beratung ihren Zweck nicht erfülle und die notwendige Anonymität und der Schutz seiner Privatsphäre wiederholt nicht gewahrt worden seien.
Zu dem Termin am 4. Juli 2007 erschien der Kläger nicht. Vielmehr teilte er der Beklagten mit einem am gleichen Tage dort eingegangenen Fax mit, dass er am Vormittag einen dringenden Arzttermin habe. Eine Bescheinigung hierzu werde er nachreichen.
Die Beklagte lud den Kläger daraufhin noch am 4. Juli 2007 erneut zu einem Arbeitsberatungsgespräch nach dem SGB II für den 6. Juli 2007 um 12:00 Uhr ein. Das Schreiben hatte im Übrigen denselben Inhalt wie das Einladungsschreiben vom 6. Juni 2007.
Auch am 6. Juli 2007 erschien der Kläger nicht.
Noch am 6. Juli 2007 lud die Beklagte ihn erneut - nunmehr für den 3. August 2007 um 14:00 Uhr - zum Arbeitsberatungsgespräch ein. Das Schreiben hatte im Übrigen wiederum den gleichen Wortlaut wie die vorherigen Einladungen. Außerdem übersandte sie ihm zwei Anhörungsschreiben wegen der versäumten Meldetermine.
Der Kläger legte daraufhin ärztliche Bescheinigungen vor, wonach er sich am 4. Juli 2007 von 9:00 Uhr bis 10:00 Uhr und am 6. Juli 2007 von 11:00 Uhr bis 12:30 Uhr in ärztlicher Behandlung befunden habe. In einem weiteren Schreiben vom 9. Juli 2007, eingegangen bei der Beklagten am folgenden Tag, beantragte er - Bezug nehmend auf seinen Widerspruch vom 20. Juni 2007 und unter zusammengefasster Wiederholung von dessen Begründung -, den Vollzug des nächsten Meldetermins auszusetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2007 wies die Beklagte sodann den Widerspruch vom 20. Juni 2007 gegen die Einladung für den 4. Juli 2007 zurück. Zu dem Schreiben des Klägers vom 9. Juli 2007 wies die Beklagte - nach Rechtsmittelbelehrung und Unterschrift - darauf hin, dass eine Meldeaufforderung keine Fallgestaltung nach § 86 a Abs. 3 bzw. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darstelle. Zudem sei durch die Erteilung dieses Widerspruchsbescheids ohnehin kein Raum mehr für die Anwendung der genannten Vorschrift.
Der Kläger erhob daraufhin mit Schreiben vom 22. Juli 2007, eingegangen beim Gericht am 24. Juli 2007, Klage zum Sozialgericht Frankfurt (Az.: S 24 AS 934/07), die er im Wesentlichen mit den Argumenten aus dem Widerspruchsschreiben vom 20. Juni 2007 begründ...