Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Pflegeversicherung. Feststellung von Pflegebedürftigkeit. Umfang der Bindungswirkung der durch einen ärztlichen Sachverständigen getroffenen Feststellungen. gerichtliche Sachverhaltsaufklärung
Orientierungssatz
Zum Umfang der Bindungswirkung der durch einen ärztlichen Sachverständigen (hier: Medicproof GmbH) getroffenen Feststellungen in der privaten Pflegeversicherung.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 2011 abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit diese über das angenommene Anerkenntnis der Beklagten hinausgeht.
Die Beklagte hat der Klägerin wie folgt Zinsen zu zahlen:
Für März 2009 aus einem Betrag von 215,00 € und für Dezember 2011 aus einem Betrag von 205,00 € in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz für das Jahr ab dem jeweils folgenden Monat.
Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um Leistungen der privaten Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II vom 1. August 2005.
Die bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin erhält von dieser seit April 2009 Leistungen nach der Pflegestufe I und seit Januar 2012 nach der Pflegestufe II. Sie begehrt, wie vom erstinstanzlichen Gericht auch zugesprochen, ab August 2005 Leistungen nach der Pflegestufe II und ab 16.11.2008 nach der Pflegestufe III.
Am 05.08.2005 stellte die damals 58-jährige Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt noch als Mathematikerin bei einem Versicherungsunternehmen arbeitete, bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung für die häusliche Pflege. Diese werde durch Frau C., der Schwägerin der Klägerin, durchgeführt.
Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die private Pflegepflichtversicherung, Teil I - Bedingungsteil MB/PPV 1996 (aktuell MB/PPV 2013) - , die zwischen den Beteiligten vereinbart sind, sind versicherte Personen für die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung der Pflegestufe I, II oder III zuzuordnen (§ 1 Abs. 6 bis 8 MB/PPV).
Pflegebedürftige der Pflegestufe I sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder ein anderer nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe II sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand muss unter den bei der Pflegestufe I genannten Bedingungen in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe III sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand muss unter den bei der Pflegestufe I genannten Bedingungen in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen müssen.
Die Beklagte beauftragte die “Gesellschaft für medizinische Gutachten MedicProof„ mit einer Begutachtung der Klägerin in ihrem Wohnbereich. Die für MedicProof tätige Ärztin D. gab ihr Gutachten am 08.10.2005 ab. Ihr lagen ein Bericht der Uniklinik F/M vom 29.07.2005, eine medizinische Stellungnahme der Hausärztin Dr. E. ohne Datum, eine medizinische Stellungnahme der Augenärztin Dr. G. vom 17.05.2005, ein Bericht des Schlafmedizinischen Zentrums H vom 25.04.2005 und die handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin zum Hilfebedarf vor. In letzteren machte die Klägerin geltend, dass sie unter Gleichgewichtsstörungen und Schwindel, einer Gangunsicherheit, Schmerzen im Kreuz und an den Beinen und Sensibilitätsstörungen der Hände leide.
Als “pflegebegründende Diagnosen„ gab Frau D. in ihrem Gutachten an: Bewegungseinschränkung bei Adipositas per magna, degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen, Karpaltunnelsyndrom beidseits, Schlafapnoe-Syndrom, diabetische Polyneuropathie und Retinopathie. Als Nebendiagnosen waren ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus und Hypertonie genannt. Frau D. kam zu dem Ergebnis, dass Pflegebedürftigk...