Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtskostenfreiheit bzw. -pflicht bei Weiterführung eines gerichtlichen Verfahrens durch den Erben des verstorbenen Klägers
Orientierungssatz
1. Fällige Ansprüche auf Geldleistungen sind nach den Vorschriften des BGB vererblich. Aus § 1922 BGB folgt, dass das gesamte Vermögen des Versicherten mit dessen Tod auf die Erben übergeht. Dazu gehört der Zahlungsanspruch auf Pflegegeld.
2. Der Erbe übernimmt auch die verfahrensrechtliche Position des verstorbenen Berechtigten. Allerdings ist der Erbe im Sozialgerichtsprozess nur eingeschränkt privilegierungsbedürftig. Für den Erben ist das Gerichtsverfahren nur in der Instanz kostenfrei, in der es zum Zeitpunkt des Todes des Berechtigten bereits anhängig war. Für die weiteren Rechtsmittelzüge unterliegt der Erbe gemäß § 183 S. 2 SGG nach Maßgabe des § 197a SGG der Gerichtskostenpflicht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Berufungsklägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11. August 2011 wird zurückgewiesen.
Der Berufungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.978,53 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Berufungskläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Nachzahlung von Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch Elftes Buch SGB XI) an die Erbengemeinschaft der verstorbenen früheren Klägerin, der bei der Beklagten versichert gewesenen B. A. (im Folgenden die Versicherte). Er beansprucht die Zahlung von Pflegegeld nach Stufe II für den Zeitraum 21.03.2003 bis 26.03.2007 und nach Pflegestufe III für den Zeitraum 27.03.2007 bis 16.04.2008.
Die 1913 geborene Versicherte verstarb 2008. Laut gemeinschaftlichem Erbschein des Amtsgerichts Hanau vom 09.07.2008 wurde sie von ihrer Nichte C. C. und den Neffen D. A., Dr. E. A., F. A. sowie dem Berufungskläger A. A. beerbt. Der Erbanteil des Berufungsklägers beträgt 1/9. Die Versicherte hatte von der Beklagten Pflegeleistungen der Pflegestufe I ab dem 26.01.2004 bezogen. Sie hatte die Gewährung von Pflegegeld auch für die Zeit vom 21.03.2003 bis zum 25.01.2004 beansprucht. Die Beklagte hatte diesen Leistungsantrag abgelehnt, weil der Hilfebedarf der Versicherten bei der Grundpflege in dieser Zeit noch nicht den für die Pflegestufe I erforderlichen durchschnittlichen täglichen Mindestwert von "mehr als 45 Minuten" (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI) erreiche. Sie hatte sich dabei auf ein schriftliches Gutachten des Arztes Dr. G. vom 06.05.2003 gestützt, das dieser für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) auf der Grundlage einer Untersuchung und Begutachtung der Versicherten in deren häuslichem Umfeld erstellt hatte. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hatte die Klage mit Urteil vom 21.02.2006 abgewiesen. Die Berufung der Versicherten war erfolglos (Urteil des Hessischen Landessozialgerichtes vom 12. Juli 2007 - L 8 P 10/06). Das Berufungsgericht hatte sich dabei hauptsächlich auf ein von Amts wegen eingeholtes Sachverständigengutachten zum Pflegebedarf der Versicherten, welches die Dipl.-Pflegewirtin H. aufgrund einer Untersuchung der Versicherten im häuslichen Umfeld erstellt hatte (Sachverständigengutachten vom 31.10.2006, ergänzende Stellungnahme vom 26.02.2007), gestützt.
Die Beschwerde der Versicherten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12.07.2007 hatte das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 06.12.2007 (B 3 P 25/07) als unzulässig verworfen. Die Versicherte war damals von dem als Rechtsanwalt tätigen hiesigen Berufungskläger vertreten worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde war unter anderem damit begründet worden, das Hessische Landessozialgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, von der Versicherten im Berufungsverfahren benannte Zeugen, insbesondere ihre Pflegerin Frau J. und ihren Hausarzt Dr. K., nicht vernommen zu haben. Hierzu hatte das Bundessozialgericht in seinem Beschluss ausgeführt, der gerügte Verfahrensfehler sei nicht schlüssig dargetan worden. In der Beschwerdebegründung sei nicht dargetan worden, welche konkreten Angaben die Zeugen über die ohnehin gegenüber den Gutachten beziehungsweise dem Gericht (zum Beispiel Befundbericht des Dr. K. vom 20.01.2005) gemachten Angaben hinaus zum täglichen Grundpflegebedarf der Klägerin hätten machen können. Weiter habe der erkennende Senat des Bundessozialgerichts bereits mehrfach entschieden, dass es für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI angeführten Verrichtungen ankomme (BSGE 82, 27 ), dass der Bezug der Pflegebedürftigkeit auf bestimmte Verrichtungen sowie die Nichtberücksichtigung eines allgemeinen Betreuungsaufwandes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei und dass der Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI abschließend ...