nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzneikostenregress. Untersuchungsgrundsatz. Erweiterte Arzneimitteldateien. Bescheidungsurteil. Streitwertfestsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz müssen bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung dem geprüften Vertragsarzt sämtliche von den Krankenkassen an die Kassenärztliche Vereinigung zu meldenden Verordnungsdaten (sog. erweiterte Arzneimitteldateien) von Amts wegen – und nicht erst auf Antrag – zur Verfügung gestellt werden, damit er anhand der eigenen Verordnungsunterlagen die Richtigkeit der der Prüfung unterliegenden elektronisch erfassten Verordnungsdaten überprüfen kann.
2. Die erweiterten Arzneimitteldateien sind auch den Prüfgremien von Amts wegen zur Verfügung zu stellen und von diesen auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen.
3. Das Gericht kann sich im Bereich der gebundenen Verwaltung auf ein Bescheidungsurteil beschränken, wenn der Kläger dies beantragt oder wenn noch weitere Ermittlungen oder Berechnungen notwendig sind, die zweckmäßiger durch die besser dafür ausgerüstete Verwaltung auszuführen sind, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass das Verfahren sonst unangemessen verzögert wird oder Unstimmigkeiten entstehen.
4. Der Streitwert für ein Verfahren wegen eines Arzneikostenregresses ist auf die Hälfte der streitigen Regresssumme festzusetzen, wenn der Kläger entsprechend seinem Antrag nur ein Bescheidungsurteil erwirkt hat, weil ungewiss ist, ob und in welcher Höhe der Beklagte nach nochmaliger Ermittlung einen Regress gegen den Kläger festsetzen wird.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Darmstadt vom 23.5.2007 - L 4 KA 31/06, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 295 Abs. 3 Nr. 5; SG BV § 296 Abs. 3; SGB V § 296 Abs. 4; SGB X § 20 Abs. 1-2, § 41; SGG § 197a Abs. 1; GKG § 63 Abs. 2 S. 1, §§ 47, 52 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Arzneikostenregress im Wege der statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten für das Quartal IV/2000 in Höhe von noch 55.512,36 € und Honorarkürzung für das Quartal I/2002 aufgrund repräsentativer Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung wegen überdurchschnittlicher Abrechnung der Ziff. 301 EBM 2000 (Punktion eines Gelenks).
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin seit 25. November 1980 zur vertragsärztlichen Versorgung im Raum G zugelassen. Im Quartal IV/2000 lag die Fallzahl seiner Praxis leicht (+11,41%) über der Durchschnittsfallzahl der Praxen der Vergleichsgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin / Praktischen Ärzte in Hessen. Der Anteil der versicherten Rentner entsprach dem Durchschnitt (29%), die Honoraranforderungen je Fall lagen leicht unter dem Durchschnitt (-7%). Bei den zugeordneten Arzneikosten überschritt der Kläger den Durchschnitt der Vergleichsgruppe um (gesamt/gewichtet) 139% (= +174,67 DM), bei der Gruppe der Rentner +122% (= +305,53 DM), Familienangehörige +169% (= +95,59 DM) und Mitglieder +160% (= +133,22 DM). Bei physikalisch-therapeutischen Maßnahmen wurde der Durchschnitt um 38% überschritten.
Die Verbände der Krankenkassen in Hessen beantragten mit dem am 21. Dezember 2001 eingegangenen Schreiben vom 20. Dezember 2001 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Arzneiverordnungsweise nach Durchschnittswerten für das Quartal IV/2000. Dem Prüfungsausschuss (PA) lag für die Vergleichsprüfung eine Verordnungsübersicht über die beim Kläger pro Fall und Quartal durchschnittlich entstandenen Kosten für Arzneimittelverordnungen vor, aus der sich allerdings weder die Zahl noch die Bruttowerte der je Versichertengruppe von dem Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel unter jeweiliger Angabe von deren Handelsname, Darreichungsform, Wirkstoffstärke und Packungsgröße ergaben. Ferner lagen dem PA Übersichten über die statistischen Daten der Ärzte für Allgemeinmedizin in Hessen sowie die Anzahl- und Summenstatistik der Beigeladenen zu 1. bezüglich der klägerischen Praxis für das geprüfte Quartal vor. Zur Prüfung der Verordnungskosten beantragte der Kläger die Beiziehung der Verordnungsblätter, worauf der PA die Krankenkassenverbände um Übersendung derselben bat, ohne dass ein Eingang in den Verwaltungsakten verzeichnet wäre. Mit Prüfungsbescheid vom 7. Mai 2003 setzte der PA wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise für das Quartal IV/2000 einen Regress in Höhe von 78.071,82 € (1220 Fälle zu je 149,00 DM) fest, wobei dem Kläger Überschreitungen gegenüber dem Durchschnitt in Höhe von 20% belassen und Apothekenrabatt- und Patientenzuzahlungsbeträge mit einem Abschlag von 16% pauschal berücksichtigt wurden. Statt Originalpräparaten habe der Kläger auch preisgünstige Alternativen verordnen können. In einigen Fällen entstehe der Anschein der Förderung bestehenden Suchpotentials durch die Verordnungsweise. Außerdem habe der Kläger entgegen den Arzneimittel-Richtlinien Grippemittel etc. verordnet und auch bei...