Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft bei einem Drei-Generationen-Haushalt. Einkommensberücksichtigung. Weiterleitung des Kindergeldes durch den nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Elternteil an das hilfebedürftige Kind. Kindeseinkommen. bereite Mittel. Anrechnung trotz Rückforderbarkeit und späterer Rückforderung
Orientierungssatz
1. Eine unter 25-jährige Person, die selbst ein eigenes Kind hat, bildet selbst dann lediglich eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Kind und nicht auch mit ihren Eltern, wenn sie mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt (vgl LSG Stuttgart vom 25.3.2011 - L 12 AS 910/10 = ZFSH/SGB 2011, 545).
2. Kindergeld, das von einem nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Elternteil an das (bedürftige) Kind weitergeleitet wird, ist bei diesem als Einkommen zu berücksichtigen.
3. Bei zugeflossenem Einkommen handelt es sich ausnahmsweise dann nicht um bereite Mittel, wenn es bereits im Zeitpunkt des Zuflusses mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist (vgl BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 165/10 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 43 und LSG Stuttgart vom 21.3.2012 - L 2 AS 5392/11).
4. Die bloße Rückforderbarkeit des Kindergeldes gem § 70 Abs 2 EStG führt nicht zu einer bereits zum Zeitpunkt der Auszahlung maßgeblichen Rückzahlungsverpflichtung (entgegen SG Detmold vom 31.3.2009 - S 8 AS 61/08). Von einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung kann erst bei Existenz eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides gesprochen werden.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 24. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
II. Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Änderung der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ohne Anrechnung von Kindergeld für den Zeitraum von Dezember 2007 bis einschließlich Juni 2008.
Die 1988 geborene Klägerin wurde 2006 Mutter einer Tochter. Im am 11. September 2006 vervollständigten Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre Tochter gab sie an, derzeit mietfrei bei ihrer Mutter zu wohnen und noch in Mutterschaftszeit zu sein. Zum 1. September 2006 zog sie mit ihrer Tochter um in die Wohnung Q-Straße in A-Stadt, in der ihre Mutter, zeitweilig auch weitere Familienmitglieder wohnten. Mit Bescheid vom 18. September 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II und rechnete dabei sowohl das Kindergeld für die Tochter der Klägerin als auch das der Mutter ausgezahlte Kindergeld für die Klägerin an.
Die Mutter der Klägerin bezog für die Klägerin bis Juni 2008 Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- €. In entsprechender Höhe erfolgten nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin Zahlungen an die Klägerin seitens ihrer Mutter. Nachdem die Klägerin im November 2007 ihre schulische Ausbildung abgebrochen hatte, hob die Familienkasse BE. mit Bescheid vom 16. Februar 2009 die Festsetzung des Kindergelds ab Dezember 2007 auf. Zugleich wurde mitgeteilt, dass das von Dezember 2007 bis Juni 2008 überzahlte Kindergeld in Gesamthöhe von 1.078,- € zu erstatten sei. Die Klägerin glich diese Forderung für ihre Mutter aus.
Mit Bescheiden vom 27. Juli 2007 (Zeitraum: August 2007 bis Januar 2008), 29. Januar 2008 (Zeitraum: Februar 2008 bis Juli 2008) und 13. Februar 2008 (Änderung des Mietanteils im vorherigen Bescheid ab März 2008), zuletzt mit Bescheid vom 13. Januar 2009 rechnete der Beklagte bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin Kindergeld an. Mit Bescheid vom 18. März 2009 hob der Beklagte diesen Bescheid auf und berechnete die Leistungen neu, wobei wiederum Kindergeld als Einkommen angerechnet wurde.
Hiergegen legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am 3. April 2009 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, seit Juli 2008 sei kein Kindergeld mehr geflossen.
Am 5. Mai 2009 beantragte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigte, die Bescheide für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu überprüfen.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2009 hob der Beklagte die vorangegangenen Bewilligungsbescheide für die Monate Juli 2008 bis Januar 2009 insoweit auf, als darin für die Klägerin Kindergeld als Einkommen angerechnet worden war und setzte einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1078,- € fest. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage lehnte der Beklagte die Überprüfung gemäß § 44 SGB X für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 ab und führte zur Begründung aus, da das Kindergeld für den fraglichen Zeitraum ausgezahlt worden sei, sei es auch als Einkommen zu berücksichtigen.
Gegen den letztgenannten Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ...