Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von darlehensweise erbrachten Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Nach § 42a Abs. 3 S. 1 SGB 2 sind Rückzahlungsansprüche aus Darlehen nach § 24 Abs. 5 SGB 2 nach erfolgter Verwertung sofort in voller Höhe fällig. Verfügt der Darlehensnehmer als Grundsicherungsberechtigter über ein Guthaben aus einer Kapitallebensversicherung, so gilt dieses als verwertbares Vermögen, weil es verbraucht, übertragen oder belastet werden kann.
2. Bei der Auszahlung der Lebensversicherung handelt es sich nicht um einen Einkommenszufluss, sondern um eine Veränderung bereits vorhandenen Vermögens. Damit kommt es auf einen Zuflusszeitpunkt nicht an.
3. Hat der Grundsicherungsberechtigte einen erheblichen Teil der ausgezahlten Kapitallebensversicherung zur Schuldentilgung bzw. zum Lebensunterhalt verbraucht, so ist dies rechtlich unbeachtlich. Im Verhältnis zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2 ist dies nachrangig.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. März 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen die Rückzahlung von darlehensweise erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der 1955 geborene Kläger beantragte am 17. März 2015 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei dem Beklagten. Er sei selbständig tätig und befinde sich wegen fehlender Aufträge aktuell in einer wirtschaftlichen Notsituation. Er verfüge über verschiedene im Minus befindliche Konten und sei darüber hinaus Inhaber eines Bausparvertrags und eines Sparbriefs, die abgetreten beziehungsweise verpfändet seien. Weiter besitze er eine Kapitallebensversicherung bei der HDI-Versicherung mit einem Rückkaufswert von 85.566,68 Euro (abzüglich eines Policendarlehens von 5.000,- Euro und von Beitragsrückständen von 1.458,- Euro). Nach den hierzu vorgelegten Unterlagen sollte die Versicherung am 1. Juli 2015 ablaufen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 1 ff. der zum Kläger geführten Leistungsakte des Beklagten - im Folgenden: LA -, hinsichtlich der Vermögenssituation und namentlich der Kapitallebensversicherung insbesondere auf LA Bl. 9 f. und Bl. 80 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 7. April 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 955,- Euro für die Zeit von März bis August 2015. Die Leistungsbewilligung erfolgte als Darlehen auf der Grundlage von § 24 Abs. 5 SGB II. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Kläger nach erfolgter Verwertung des Vermögens die ihm gewährten Leistungen zu erstatten habe. Auf LA Bl. 92a ff. wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
In der Folgezeit änderte der Beklagte die Höhe der gewährten Leistungen mehrfach ab, und zwar durch Bescheide vom 6. Mai 2015 (Absenkung der Leistung für Mai 2015 auf 706,- Euro wegen Einkommens), vom 11. Mai 2015 (Korrektur des Bescheides vom 6. Mai 2015 und also erneute Bewilligung von 955,- Euro für Mai 2015), vom 8. Juni 2015 (Erhöhung der Leistung auf 964,18 Euro monatlich wegen der Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Warmwasserbereitung), vom 19. Juni 2015 (Erhöhung der Leistung auf 1.129,12 Euro monatlich für die Zeit von März bis Juni 2015 wegen der vom Kläger aufzubringenden Krankenversicherungsbeträge), (nochmals) vom 19. Juni 2015 (entsprechende Erhöhung der Leistung auch für Juli und August 2015), vom 2. Juli 2015 (Erhöhung der Leistung auf monatlich 1.272,64 Euro für die Zeit von März bis Juli 2015 wegen der Übernahme eines weiteren Anteils der vom Kläger aufzubringenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) und (nochmals) vom 2. Juli 2015 (entsprechende Erhöhung der Leistung auch für August 2015). Alle Bescheide kennzeichneten die bewilligte Leistung als Darlehen. Im Ergebnis erhielt der Kläger in der Zeit von März bis August 2015 durchgängig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 1.272,64 Euro als Darlehen. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl. 93 ff. (Bescheid vom 8. Juni 2015), LA Bl. 108 ff. (Bescheid vom 6. Mai 2015), LA Bl. 131 ff. (Bescheid vom 11. Mai 2015), LA Bl. 147 ff. (Bescheid vom 19. Juni 2015 für die Zeit von März bis Juni 2015), LA Bl. 151 ff. (Bescheid vom 19. Juni 2015 für Juli und August 2015), LA Bl. 167 ff. (Bescheid vom 2. Juli 2015 für die Zeit von März bis Juli 2015) und LA Bl. 170 ff. (Bescheid vom 2. Juli 2015 für August 2015) Bezug genommen.
Vertragsgemäß lief die Kapitallebensversicherung des Klägers Anfang Juli 2015 ab; die HDI-Versicherung überwies ihm dementsprechend am 9. Juli 2015 einen Betrag von 82.945,21 Euro.
Der Kläger legte sodann (erst) am 14. August 2015 Widerspruch gegen die Bewilligung der Leistungen als Darlehen ein (LA Bl. 92 f.); zuvor hatte er wiederholt (nur) die Höhe der bewilligten Leistung (sowei...