Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung der für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlichen 45-jährigen Wartezeit. Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nach betriebsbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber. Umstrukturierungsmaßnahmen. Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB 6
Orientierungssatz
1. Für die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn bei der für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlichen 45-jährigen Wartezeit ist es nicht ausreichend, wenn der Arbeitnehmer infolge der Einstellung der Tätigkeit eines einzelnen Betriebsteils, einer Filiale eines Standorts, der Zusammenlegung von Betrieben oder einer Teilstilllegung nach betriebsbedingter Kündigung arbeitslos geworden ist (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 26.1.2017 - L 22 R 578/15 = juris RdNr 32).
2. Auch der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die maßgebliche Regelung des § 51 Abs 3a SGB 6 noch nicht bestanden hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
3. § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB 6 verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld unmittelbar vor Beginn einer Altersrente wartezeitbegründend für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte sein kann.
Der 1951 geborene Kläger war nach Ausbildung und Fachschulausbildung seit dem 1. Oktober 1976 als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst bei der Firma C. AG beschäftigt. Vom 1. März 2010 bis 28. Februar 2011 wurde nach seinen Angaben in der Firma Kurzarbeit durchgeführt, von der auch er betroffen war. Im Jahr 2011 erhob der Kläger Vergütungsklage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Der Arbeitgeber sprach am 22. Mai 2012 eine betriebsbedingte Kündigung „unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist“ zum 31. Dezember 2012 aus, gegen die sich der Kläger durch Erweiterung der bereits anhängigen arbeitsgerichtlichen Klage wandte. Am 4. Juni 2012 endet das Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich dahingehend, dass unter anderem das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 22. Mai 2012 zum 31. Dezember 2012 endete (1.) und der Kläger ab dem 1. August 2012 unter Fortzahlung seiner Bezüge von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen unwiderruflich freigestellt wurde (3.). Weiter erhielt er eine Abfindung in Höhe von 50.000,00 € brutto (5.). Anschließend bezog der Kläger vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Dezember 2014 Arbeitslosengeld.
Am 28. Oktober 2014 beantragte er bei der Beklagten eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend ab dem 1. Januar 2015.
Auf den Hinweis der Beklagten, dass er in den letzten zwei Jahren vor dem beantragten Rentenbeginn Arbeitslosengeld bezogen habe und solche Zeiten für die Wartezeit nur berücksichtigt werden dürften, wenn die Arbeitslosigkeit auf eine Insolvenz oder Geschäftsaufgabe zurückzuführen sei, legte der Kläger die Kündigung des Arbeitgebers vom 22. Mai 2012, nicht hingegen den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 4. Juni 2012 vor. Er wies darauf hin, dass er trotz intensiver Bemühungen nach wie vor arbeitslos sei; er sei unverschuldet arbeitslos geworden.
Mit Bescheid vom 18. November 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab, weil die Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfüllt sei.
Auf den hilfsweisen Antrag des Klägers vom 28. November 2014 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2015 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 1. Januar 2015 mit einem Abschlag von 7,2 Prozentpunkten wegen vorzeitiger Inanspruchnahme. Dagegen legte der Kläger am 1. April 2015 Widerspruch ein.
Bereits zuvor, am 15. Dezember 2014, erhob der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte und machte geltend, dass der ehemalige Arbeitgeber von der Insolvenz bedroht gewesen sei und sich durch eine Vielzahl von betriebsbedingten Kündigungen und weitgehenden Sanierungsmaßnahmen aus der insolvenzbedrohten Situation befreit habe. Zum 1. Juli 2014 sei das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung in Kraft getreten. Der anspruchsberechtigte Personenkreis der Altersrente für besonders langjährig Versicherte sei erweitert worden, unter anderem würden auf die Wartezeiten auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld angerechnet. Dies gelte allerdings nicht für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn, es sei denn, di...