Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sonderfall der Verfügbarkeit. Student. Beginn der Vermutungsregelung. Zeitraum vom Semesterbeginn bis zum Beginn der Lehrveranstaltung. Widerlegung der Vermutung der versicherungsfreien Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Beginn der Vermutungswirkung des § 120 Abs 2 S 1 SGB 3 aF.
2. Ein erstmals immatrikulierter Student kann nach Semesterbeginn und vor dem Beginn der für seinen Studiengang verpflichtenden Lehrveranstaltungen dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stehen.
Normenkette
SGB III Fassung: 2003-12-23 § 120 Abs. 2 S. 1; SGB III Fassung: 2003-12-23 § 120 Abs. 2 S. 2; SGB III Fassung: 2003-12-23 § 147 Abs. 2; SGB III Fassung: 2003-12-23 § 119 Abs. 5; SGB III § 139 Abs. 2 Sätze 1-2, § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 161 Abs. 2; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; BAföG §§ 15, 15b
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. September 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bewilligten Arbeitslosengeldes für einen Monat.
Der Kläger, der im Zeitraum 1. August 2007 bis 30. Juni 2009 als Außendienstmitarbeiter tätig war, meldete sich am 14. Mai 2009 mit Wirkung zum 1. Juli 2009 bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 26. Juni 2009 ab dem 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 33,23 €.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten im August 2009 teilte der Kläger mit, dass er im Wintersemester 2009/2010 ein Studium an der Hochschule Fulda in dem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen beginnen werde.
Der Kläger immatrikulierte sich an der Hochschule Fulda am 17. August 2009. Das Wintersemester an der Hochschule Fulda lief vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010. Die Vorlesungen begannen am 5. Oktober 2009. Im Monat September 2009 fanden an der Hochschule Fulda nicht verpflichtende Vorbereitungskurse statt, über welche keine Anwesenheitslisten geführt wurden. Ab Oktober 2009 bezog der Kläger Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Mit Bescheid vom 25. August 2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. September 2009 gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) auf und führte zur Begründung für die Entscheidung die eigene Abmeldung des Klägers aus dem Leistungsbezug an.
Hiergegen erhob der Kläger am 24. September 2009 Widerspruch, welcher damit begründet wurde, dass der Kläger zum 1. Oktober 2009 ein Studium an der Hochschule Fulda begonnen habe. Dies habe er bei einer persönlichen Vorsprache einer Mitarbeiterin der Beklagten am 10. August 2009 ordnungsgemäß mitgeteilt. Er habe sich in diesem Gespräch keineswegs zum 31. August 2009 selbst abgemeldet, sondern ausdrücklich mitgeteilt, dass er auch im September dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werde. Der Kläger habe dem Arbeitsmarkt im Zeitraum 1. bis 30. September 2009 auch noch tatsächlich zur Verfügung gestanden. Es hätten keinerlei Pflichtpraktika oder Ähnliches angestanden. Die Lehrveranstaltungen hätten erst am 5. Oktober 2009 begonnen. Offizieller Beginn des Wintersemesters sei der 1. Oktober 2009 gewesen. Seit diesem Zeitpunkt beziehe der Kläger auch Leistungen nach dem BAföG. Es komme für die Verfügbarkeit weder auf den Zeitpunkt der Immatrikulation noch auf die “Verwaltungsdauer„ der Hochschule vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 an.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009 als unbegründet zurück. Unter Bezugnahme auf § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III führte sie zur Begründung aus, dass der Kläger ab dem 1. September 2009 nur versicherungsfreie Beschäftigungen hätte ausüben könne. Er sei Studierender an einer Hochschule, der Studentenstatus liege ab Beginn des Wintersemesters 2009/2010, mithin ab dem 1. September 2009 vor. Auf den Vorlesungsbeginn komme es dabei nicht an. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne, weil er nur mit Einschränkungen für solche Beschäftigungen zur Verfügung stehe, welche den Erfordernissen des Studiums angepasst seien. Eine Beschäftigung während der Dauer des Studiums sei nach § 27 Abs. 4 SGB III versicherungsfrei, wenn sie nur die Nebensache und das Studium die Hauptsache sei. Der Kläger habe keine Möglichkeit, neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben und stehe demzufolge den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung. Er sei damit nicht arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III und habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Im Übrigen seien die Vora...