Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. kein Anspruch auf häusliche Pflegehilfe als Sachleistung bei sogenannten Arbeitgebermodell. Verfassungsmäßigkeit. grundsätzliche Beschränkung der häuslichen Pflegehilfe auf häuslichen Bereich
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf häusliche Pflegehilfe als Sachleistung besteht nicht für die Leistungserbringung von den Pflegekräften, mit denen der Pflegebedürftige selbst einen Dienst- oder Arbeitsvertrag abgeschlossen hat.
2. Die in §§ 36, 37 SGB 11 getroffenen Regelungen der Leistungen bei häuslicher Pflege verstoßen nicht gegen § 2 Abs 1 SGB 11 noch gegen Art 3 Abs 1 GG.
3. Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB 11 beschränkt sich grundsätzlich auf Sachleistungen im häuslichen Bereich.
Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 09.07.1997; Aktenzeichen S 12 P 738/96) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 9. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der ... 1957 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege anstelle des von der Beklagten bewilligten Pflegegeldes für selbst beschaffte Pflegehilfen nach den Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch -- Soziale Pflegeversicherung -- (SGB XI).
Bei dem Kläger, der bei der Beklagten pflegeversichert ist, besteht der Zustand nach Poliomyelitis mit einer kompletten Lähmung beider Beine sowie ausgedehnter Teillähmung beider Arme. Der Kläger bezog seit dem 1. Juni 1991 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit -- Pflegegeld -- gemäß den §§ 53 ff. a.F. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch -- Gesetzliche Krankenversicherung -- (SGB V). Hilfe zur Pflege erhielt (und erhält) der Kläger auch von der Stadt K im Rahmen der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), und zwar durch Übernahme der Kosten für einen persönlichen Assistenten, dessen Arbeitgeber der Kläger selbst in einem vom ihm gegründeten Betrieb ist. Die zuständige Krankenkasse hatte den Antrag des Klägers auf Übernahme dieser Kosten der persönlichen Assistenz abgelehnt (Bescheid vom 27. April 1992). Die ablehnenden Bescheide wurden in den anschließenden Gerichtsverfahren -- rechtskräftig -- bestätigt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluß vom 20. November 1996 -- L-1/Kr-864/95 --).
Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde der Kläger (ohne gesonderte Antragstellung) ab dem 1. April 1995 der Pflegestufe II zugeordnet. Mit Datum vom 23. März 1995 beantragte der Kläger Sachleistungen der Pflegeversicherung, und zwar mit der Maßgabe, seinen eigenen Betrieb im Privathaushalt als Anbieter der Sachleistung zur Deckung seines Hilfebedarfs anzuerkennen.
Mit Bescheid vom 18. Mai 1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie zahle ihm vom 1. April 1995 an Pflegegeld der Pflegestufe II.
Mit seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er verlange "bedarfsgerechte Sicherstellung der Sachleistung und der hierfür erforderlichen Koordinierung der personellen Hilfe (Pflege nach dem SGB XI und dem BSHG)", zumal er sich privat als auch beruflich im In- und Ausland aufhalte und gelegentlich auch außerhalb seiner Wohnung übernachten müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996, dem Kläger zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 15. Mai 1996, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Möglichkeit der Anerkennung des Pflegebetriebes des Klägers als einer Pflegeeinrichtung im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes sei nicht gegeben. Nach § 77 SGB XI könne eine Pflegesachleistung zwar auch dadurch erbracht werden, daß die Pflegekasse mit geeigneten Pflegekräften einen Einzelvertrag eingehe. Ein Vertragsabschluß zwischen dem Kläger selbst, als dem Pflegebedürftigen, und der Pflegekasse scheide indes nach den gesetzlichen Bestimmungen aus. Der Vertrag könne lediglich zwischen der Pflegekraft und der Pflegekasse geschlossen werden, wobei jedoch die an die Pflegekraft gebundenen gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen wären. Zudem sei zu berücksichtigen, daß § 77 SGB XI nach der amtlichen Begründung dazu diene, die Versorgungsangebote der ambulanten Pflegeeinrichtungen durch gezielte, wohnortnahe Hilfen zu ergänzen und daher restriktiv auszulegen sei. Angehörige und auch ehrenamtliche Pflegepersonen würden als Vertragspartner der Kassen für Betreuungsverträge nach § 77 SGB XI daher grundsätzlich ausscheiden. Bei den vorliegenden Gegebenheiten handele es sich im Falle des Klägers um einen Fall von selbst beschaffter Pflegehilfe i.S.v. § 37 SGB XI, die lediglich aus dem Pflegegeld finanziert bzw. bezuschußt werden könne. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß das Ziel der Leistung bei häuslicher Pflege darin bestehe, Pflegebedürftigen möglichst lange das Verbleiben in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Die Pflegesachleistungen seien deshalb...