Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. mittelbare Unfallfolge. psychische Erkrankung infolge einer objektiv nicht gebotenen berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung. Kausalität. psychische Symptomatik. wesentliche Verschlimmerung. mittelschwere bis schwere Depression im Sinne einer chronischen Belastungsreaktion
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Zuordnung mittelbarer psychischer Unfallfolgen infolge der Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung bzw der diagnostischen Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhaltes im Sinne des § 11 Abs 1 SGB 7 kommt es nicht darauf an, dass die Heilbehandlung bzw Untersuchung rückwirkend betrachtet objektiv zur Behandlung der unmittelbaren Unfallfolgen notwendig war.
Ein Zurechnungstatbestand nach § 11 Abs 1 oder Abs 2 SGB 7 kann bereits dann erfüllt sein, wenn der Unfallversicherungsträger oder der ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder den Rechtsschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (einschließlich einer Unfallfolge) angeordnet werde.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juli 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 ab dem 1. März 1998 Verletztenrente aufgrund einer MdE von 30 % in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1967 geborene Kläger war seit August 1995 als Gepäckabfertiger am Flughafen X. beschäftigt. Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich am 13. Januar 1997 als der Kläger zwischen einem Containertransporter sowie einem Gepäckcontainer-Anhänger eingeklemmt wurde. In dem Bericht des Durchgangsarztes Dr. E. wurde am gleichen Tag eine Quetschung des dritten linken Fingers sowie des linken Kniegelenks diagnostiziert.
Anschließend wurde der Kläger zunächst ambulant im Kreiskrankenhaus ZP. behandelt. In einem Befundbericht des Neurologen Dr. PZ. vom 3. Februar 1997 wurde eine Druckschädigung des Fibulaköpfchens mit einer Schädigung eines sensiblen Astes des Nervus peronaeus communis ohne Anhalt für eine Schädigung des motorischen Anteils dieses Nerven beschrieben. Wegen anhaltender Beschwerden des Klägers im unfallbetroffenen Kniegelenk erfolgte Anfang April 1997 eine Überweisung des Klägers an die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik X. (BGU). Nach einer Untersuchung vom 4. April 1997 beschrieb der Neurologe und Psychiater Dr. AU. eine geringfügige Schwäche der Fußhebung und Zehenhebung links, ebenso eine leichte sensible Störung am Fußrücken und geringgradig an der Unterschenkelaußenseite. Der übrige neurologische Befund sei regelrecht. In einem Befundbericht vom 4. April 1997 empfahl Prof. Dr. XA. von der Chirurgie der BGU eine stationäre Aufnahme des Klägers zur Durchführung intensiver Physiotherapie wegen einer massiven Muskelminderung im linken Bein. In einem Befundbericht der BGU X. an die Beklagte vom 20. Juni 1997 wurde neben der Diagnose einer Kniegelenksquetschung links mit diskreter distaler Peronaeusläsion eine unfallunabhängige Retropatellararthrose des linken Knies beschrieben. Nach Abschluss der Behandlung in der BGU wurde vom Kläger eine Arbeitserprobung durchgeführt, die wegen fortbestehender Beschwerden wieder abgebrochen wurde. Anschließend begab sich der Kläger zur Behandlung in die Unfallchirurgie der Universität ZP.. Dort wurde am 17. Juli 1997 eine diagnostische Kniegelenksarthroskopie durchgeführt, die laut einem Befundbericht an die Beklagte vom 23. Juli 1997 einen degenerativen drittgradigen Knorpelschaden im linken Kniegelenk ergeben habe. In einem weiteren Schreiben des Oberarztes Dr. D. von der Unfallchirurgie der Universität ZP. vom 13. August 1997 wurde der Beklagten eine erneute Aufnahme des Klägers in die BGU empfohlen und mitgeteilt, es müsse durch ein Zusammenhangsgutachten geklärt werden, ob der retropatellare Knorpelschaden bei dem Kläger traumatischer Genese sein könnte. In einem Befundbericht der neurochirurgischen-neurotraumatologischen Abteilung der BGU wurde von einer Kontrolluntersuchung des Klägers am 18. August 1997 berichtet und mitgeteilt, dass eine stationäre Aufnahme des Klägers am 26. August 1997 zur EMG-Kontrolle und dann wahrscheinlich eine Neurolyse-Operation des Nervus peronaeus beabsichtigt sei. Gegen diese Operation sprach sich Dr. AU. im Anschluss an eine Untersuchung des Klägers vom ...