Entscheidungsstichwort (Thema)

Korrektur eines Bescheides über die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gem § 48 Abs 1 S 2 SGB 10 nach rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. atypischer Fall

 

Orientierungssatz

Die durch die nachträgliche Gewährung einer höherrangigen Rente eingetretene wirtschaftliche Schlechterstellung (hier: der durch rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bewirkte Wegfall der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sowie von Krankengeld) kann einen atypischen Fall iS des § 48 SGB 10 begründen (so auch LSG Schleswig vom 23.2.2016 - L 7 R 133/15).

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Juni 2015 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Bescheide vom 7. und 22. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2012 auch für die Zeit vom 2. März 2011 bis 8. November 2011 und vom 24. Januar bis 31. März 2012 aufgehoben hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Klage- und Berufungsverfahren zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung einer Rentenbewilligung sowie die Rückforderung zu viel gezahlter Rentenbeträge.

Die 1954 geborene Klägerin arbeitete seit April 1978 als Arzthelferin. Im Dezember 2008 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dem entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2009 und gewährte der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Januar 2009. Die Klägerin verdiente in der Zeit von März 2011 bis Oktober 2011 1.500,70 Euro monatlich. Für die Zeit vom 1. bis 8. November 2011 erhielt sie wegen der Gewährung von Weihnachtsgeld ein Gehalt in Höhe von 1.826,07 Euro (Bl. 442 der Rentenakte). Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wurde im gesamten Zeitraum von März 2011 bis März 2012 gezahlt. Ab 28. September 2011 war die Klägerin arbeitsunfähig und bezog Krankengeld vom 9. November 2011 bis 23. Januar 2012. Zum 31. Januar 2012 beendete sie ihre Berufstätigkeit, die sie in einem Umfang von vier Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausgeübt hatte.

Im Februar 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Während des Rentenverfahrens überprüfte die Beklagte die Rentenberechtigung für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und berechnete die Rente der Klägerin ab 1. Dezember 2010 neu (Neuberechnungsbescheid vom 4. Mai 2011, der nach Rücknahme des Widerspruchs bindend geworden war). Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 lehnte die Beklagte zunächst den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin half die Beklagte mit Bescheid vom 3. Februar 2012 ab. Sie bewilligte der Klägerin anstelle der bisherigen Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. März 2011. Es ergab sich eine Nachzahlung für die Zeit vom 1. März 2011 bis 31. März 2012 in Höhe von 6.671,26 Euro.

Unter dem 7. Juni 2012 (Bl. 487 der Rentenakte) erteilte die Beklagte der Klägerin einen Bescheid über die Abrechnung der Rentennachzahlung und Rückforderung. Sie hob den Bescheid vom 4. Mai 2011 hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab 2. März 2011 bis 31. März 2012 nach § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) auf. Dabei stützte sich die Beklagte konkret auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Der Zahlungsanspruch auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sei für die Zeit, für die ein Anspruch auf die neu bewilligte Rente bestehe, entfallen (Zeit von März 2011 bis März 2012) Die Beklagte errechnete eine Überzahlung in Höhe von 5.097,94 Euro. Aus dem Rentennachzahlungsbetrag sei zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Barmer GEK für die Zeit vom 9. November 2011 bis 23. Januar 2012 ein Betrag in Höhe von 1 658,78 Euro und an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 1 776,35 Euro überwiesen worden. Der zur Verfügung stehende Nachzahlungsbetrag vermindere sich auf 3.236,13 Euro (Bl. 486 der Rentenakte). Den überzahlten Betrag habe die Beklagte mit der Nachzahlung verrechnet. Die restliche Überzahlung betrage somit noch 1.861,81 Euro, der von der Klägerin zurückzuzahlen sei.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2012 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung ab 1. März 2012 neu.

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 7. Juni 2012 wies die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2012 zurück. Die mit Bescheid vom 3. Februar 2012 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung stelle Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dar. Damit seien die Aufhebungsvoraussetzungen für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gegeben. Ein atypischer Fall, der eine Ermessensentscheidung erforderlich mache, läge nicht ...

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