Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren. schriftlicher Nachweis der Vollmacht. Übersendung per Fax. Aufforderung zur Übermittlung einer Originalvollmacht. rechtmäßige Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig. keine nachträgliche Heilung durch Nachholung im gerichtlichen Verfahren. Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Entscheidung nach § 41a SGB 2. hinreichend eindeutige Verfügung des Vorläufigkeitsvorbehalts
Leitsatz (amtlich)
1. § 13 Abs 1 S 3 SGB X dient dem Nachweis der Vollmacht. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, dass sich die Behörde im konkreten Einzelfall, sofern dies zum Nachweis notwendig ist, nicht mit einer Übersendung per Fax begnügt, sondern die Übermittlung eines Originals fordert (wobei es sich bei dem Schriftstück nicht notwendig um eine schriftliche Vollmachtsurkunde handeln muss, sondern ebenso ein anderweitig zum Nachweis der Vollmacht geeignetes Schriftstück genügt).
2. Zur hinreichend eindeutigen Verfügung des Vorläufigkeitsvorbehalts bei einer vorläufigen Entscheidung nach § 41a SGB II.
Orientierungssatz
Nach der rechtmäßigen Verwerfung des Widerspruchs wegen fehlender Vollmacht kann dieser Mangel im gerichtlichen Verfahren nicht rückwirkend durch die Vorlage einer nunmehr erteilten Vollmachtsurkunde (und die darin liegende Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung) oder auch eines Nachweises über eine bereits zuvor bestehende Vollmacht geheilt werden (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 18.6.2021 - L 19 AS 2551/17).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2023 - S 14 AS 399/19 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Teilaufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid, soweit dieser auf der Anrechnung von zwei Geldgeschenken in Höhe von jeweils 50,- Euro im November und Dezember 2018 auf das ihm bewilligte Arbeitslosengeld II beruht.
Der 1986 geborene Kläger erhielt - in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1991 geborenen Partnerin - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem Beklagten. Für den streitigen Zeitraum bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Partnerin auf entsprechenden Weiterbewilligungsantrag durch Bescheid vom 9. April 2018 Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 30. April 2019 in Höhe von jeweils 539,- Euro monatlich (wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen, Bl. 623 ff. der elektronischen Gerichtsakte des Sozialgerichts - im Folgenden: eGA SG -, in der die Leistungsakte des Beklagten enthalten ist; Gleiches gilt für die weiteren nachfolgend unter Angabe der Aktenfundstelle aufgeführten Dokumente). Einen Vorläufigkeitsvorbehalt enthielt der Bescheid nicht. Mit Rücksicht insbesondere auf Einkommen der Partnerin aus zwei Beschäftigungsverhältnissen änderte der Beklagte diese Bewilligung nachfolgend mehrfach ab (Änderungsbescheid vom 22. August 2018 für die Zeit von September 2018 bis Januar 2019, wobei der Beklagte erst in der Begründung ausführte, die Bewilligung sei hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen aus der Tätigkeit bei der Fa. H. AG vorläufig nach § 41a SGB II [eGA SG Bl. 662 ff.]; Änderungsbescheid vom 10. Oktober 2018, mit dem der Beklagte einem Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. August 2018 wegen der Höhe des angerechneten Einkommens abhalf, wobei er erneut erst in der Begründung auf § 41a SGB II Bezug nahm [eGA SG Bl. 919 ff.]; Änderungsbescheid vom 8. November 2018 für die Zeit von November 2018 bis April 2019, wobei es wiederum erst in der Begründung hieß, die Bewilligung der Leistung sei „insoweit“ - mit Blick auf die Anrechnung des Einkommens bei der Fa. E. - vorläufig nach § 41a SGB II [eGA SG Bl. 998 ff.]; Änderungsbescheid vom 16. November 2018 für die Zeit ab 1. Januar 2019 wegen einer Reduzierung des angerechneten Einkommens auf Grund der zwischenzeitlich vorgelegten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit H. [eGA SG Bl. 1025 ff.]; Änderungsbescheid vom 24. November 2018 wegen einer Anpassung der Regelbedarfe und Umsetzung eines Aufrechnungsbescheides vom 22. November 2018 ab 1. Januar 2019 [eGA Bl. 1034 ff.]; vier Teilaufhebungsbescheide vom 4. Dezember 2018 für August beziehungsweise Oktober 2018 [eGA SG Bl. 1048 ff.]; „Änderungsbescheid“ vom 20. Dezember 2018, mit dem der Beklagte die Leistungen für den Kläger und seine Partnerin für November 2018 auf jeweils 483,65 Euro endgültig festsetzte und „die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide vom 09.04.2018“ insoweit aufhob [eGA SG Bl. 674 ff.]).
Im Rahmen mehrerer Widerspruchsverfahren, die der Kläger wegen der Änderungen eingeleitet hatte, kam es zu Konflikten zwischen den Beteiligten wegen der Pflicht zur Vorlage einer vom Beklagten angeforderten Originalvollmacht der für den Kläger auftretenden Rechtsanwaltsgesellschaf...