Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Kinderberücksichtigungszeiten. Elterneigenschaft. Stiefeltern. Pflegeeltern

 

Orientierungssatz

1. Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VI können nur für Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I angerechnet werden.

2.  Stiefkinder sind als “vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten„. Stiefkinder sind danach nur leibliche oder adoptierte Kinder des anderen Ehegatten. Dies setzt eine gültige Eheschließung voraus.

3. Pflegeeltern sind Personen, die ein Kind als Pflegekind aufgenommen haben. Ein Pflegekindschaftsverhältnis setzt damit voraus, dass ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht und in einem förmlichen Verfahren die Aufnahme des Kindes bei den Pflegeltern erfolgt ist. Leibliche Kinder des nichtehelichen Lebensgefährten können danach nicht als Pflegekinder anerkannt werden.

4. Für eine Erweiterung des Personenkreises gibt § 56 SGB VI in Verbindung mit § 56 SGB I keinen Raum.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. April 2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Kinderberücksichtigungszeiten.

Die 1941 geborene Klägerin heiratete am 6. Juni 1975 den 1942 geborenen B. A. Dieser hat mit C. A., geborene D., die Kinder E. (geboren 1967), F. (geboren 1968) und G. (geboren 1968).

Die Klägerin beantragte am 16. Februar 2006 die Feststellung von Kindererziehungszeiten und trug vor, ab Oktober 1969 bis zum 18. Lebensjahr habe sie die Kinder erzogen und betreut. Am 14. März 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung von Regelaltersrente.

Mit Rentenbescheid vom 26. April 2006 bewilligte die Beklagte Altersrente ab 1. Juli 2006 und erkannte u. a. für E. A. die Zeit vom 1. Juni 1975 bis 7. März 1977 als Berücksichtigungszeit an. Die Anerkennung der Zeit vom 1. April 1967 bis 31. März 1968 als Kindererziehungszeit und der Zeit vom 8. März 1967 bis 31. Mai 1975 als Berücksichtigungszeiten wurde abgelehnt, für G. A. wurde die Zeit vom 1. Juni 1975 bis 24. Januar 1978 als Berücksichtigungszeit anerkannt und die Zeit vom 1. Februar 1968 bis 31. Januar 1969 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 25. Januar 1968 bis 31. Mai 1975 als Berücksichtigungszeit abgelehnt, für F. A. wurde die Zeit vom 1. Juni 1975 bis 24. Januar 1978 als Berücksichtigungszeit anerkannt und die Zeit vom 1. Februar 1968 bis 31. Januar 1969 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 25. Januar 1968 bis 31. Mai 1975 als Berücksichtigungszeit abgelehnt.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, sie sei im Oktober 1969 in die Familie gekommen habe ihren Beruf aufgegeben um sich voll um die drei Kinder zu kümmern und deshalb müssten die abgelehnten Zeiten auch anerkannt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, dem Begehren auf Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Kinderberücksichtigungszeiten für die Zeit vom 1. Oktober 1969 bis 31. März 1975 für die Stiefkinder E., F. und G. könne nicht entsprochen werden, denn erst mit der Eheschließung beginne die Eigenschaft der Klägerin als Stiefmutter.

Mit Schreiben vom 13. November 2006 (Eingang 15. November 2006) erhob die Klägerin bei der Beklagten erneut Widerspruch gegen den “Bescheid vom 3. November 2006„. Die Beklagte wertete diesen Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 28. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme bzw. Aufhebung der Bescheide vom 26. April 2006 und 28. November 2006 ab.

Am 1. Dezember 2006 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen und verfolgte ihr Begehren weiter.

Mit Urteil vom 7. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, der Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten für den fraglichen Zeitraum bis zum 31. Mai 1975 scheitere daran, dass die Klägerin weder Stiefmutter noch Pflegemutter der Kinder E., F. und G. gewesen sei. Die Klägerin sei erst mit der Eheschließung zur Stiefmutter geworden. Ein Pflegekindschaftsverhältnis liege auch nicht vor, dieses sei nur gegeben, wenn kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern bestehe. Die leiblichen Kinder des nichtehelichen Lebensgefährten seien nicht als Pflegekinder anzuerkennen, denn die Kinder E., F. und G. seien bei ihrem leiblichen Vater aufgewachsen.

Gegen das am 20. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. April 2008 Berufung beim Sozialgericht Gießen eingelegt.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass sie Anspruch auf Anerkennung der Kindererziehungszeiten bzw. Kinderberücksichtigungszeiten habe, da sie die Kinder betreut und erzogen habe. ...

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