Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilungsvertrag. Zulässigkeit einer Ausgleichsregelung bei der Abweichung des Fallwerts von mehr als 5%. Bindung der Vertragsparteien an die Vorgaben des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004
Orientierungssatz
Ein Honorarverteilungsvertrag, der ergänzend zu einem Regelleistungsvolumen eine Ausgleichsregelung vorsieht, die einen Ausgleich im Sinne der Auffüllung bei Abweichungen von mehr als 5% nach unten bzw eine Kappung das Fallwertzuwachses beim Wachstum von mehr als 5% nach oben vornimmt, verstößt gegen zwingende Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29.10. 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs 4 SGB 5 mit Wirkung zum 1.1.2005 (DÄ 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) und ist nicht durch die Ermächtigungsgrundlage in § 85 Abs 4 SGB 5 iVm Art 12 GG gedeckt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. August 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 113.981,83 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Honorarhöhe in den Quartalen II/05, I/06 und II/06, insbesondere um die Honorarkürzungen nach Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrages (Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und der AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen, dem BKK Landesverband Hessen, der IKK Hessen, dem Verband der Angestellten Krankenkassen e.V. (VdAK) - Landesvertretung Hessen, dem AEV - Arbeiter-Ersatzkassenverband e.V. - Landesvertretung Hessen, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, der Krankenkasse für den Gartenbau und der Knappschaft zur Honorarverteilung für die Quartale II/2005 bis IV/2005 vom 10. November 2005, im Folgenden: HVV), der für die Quartale I/06 und II/06 fortgeführt wurde.
Die Klägerin ist eine aus zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Die Ärzte nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung teil, aufgrund ihres phlebologischen Schwerpunkts und des Beschlusses des Zulassungsausschusses ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung. Die Beklagte ordnete sie im Rahmen der Honorarverteilung der Fachgruppe der “sonstigen Ärzte„ (VFG 80-00) zu.
Das Nettohonorar der Klägerin im Quartal II/05 betrug 114.719,64 € bei einem angeforderten Honorarvolumen (EBM) in Höhe von 165.465,90 € (Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK: 101,23/79,76). Dem lag eine Kürzung des Honoraranspruchs gemäß Ziff. 7.5 HVV zu Grunde (Referenzfallwert im Quartal II/04: 65,2906 €; relevanter Fallwert im Quartal II/05 177,9007 €; fallbezogener Kürzungsbetrag 109,3456 €; relevante aktuelle Fallzahl: 1613; Kürzungsbetrag insgesamt: 176.374.43 €). Die fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV war ausgesetzt worden, da die ambulante Fallzahl im aktuellen Quartal die Fallzahl des Ausgangszeitraums nicht überschritten hatte (Fallzahlgrenze: 1595; Aktuelle Fallzahl: 1566).
Das Nettohonorar der Klägerin im Quartal I/06 betrug 67.409,14 € bei einem angeforderten Honorarvolumen (EBM) in Höhe von 208.568,57 € (Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK: 36,75/37,07). Auch in diesem Quartal war der Honoraranspruch u. a. gemäß Ziff. 7.5 HVV gekürzt worden (Referenzfallwert im Quartal I/05: 59,1128 €, relevanter Fallwert im Quartal I/06 78,0510 €; fallbezogener Kürzungsbetrag 44,0254 €; relevante aktuelle Fallzahl 1773; Kürzungsbetrag insgesamt: 78.056,98 €). Außerdem war eine fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV durchgeführt worden (Fallzahlgrenze: 1650; Aktuelle Fallzahl: 1740; anerkennungsfähiges Honorarvolumen: 96,12 % des angeforderten relevanten Honorarvolumens).
Das Nettohonorar der Klägerin im Quartal II/06 betrug 129.991,10 € bei einem angeforderten Honorarvolumen (EBM) in Höhe von 205.579,94 €. (Punktwert Allg. Leistungen Quote PK/EK: 36,35/36,69). Auch in diesem Quartal war der Honoraranspruch gemäß Ziff. 7.5 HVV gekürzt worden (Referenzfallwert II/05: 68,5551 €; relevanter Fallwert im Quartal II/06: 78,9416 €, fallbezogener Kürzungsbetrag: 7,5599 €; relevante aktuelle Fallzahl 1790; Kürzungsbetrag insgesamt: 13.532,25 €). Im Quartal II/06 war keine fallzahlabhängige Quotierung gemäß Ziff. 5.2.1 HVV durchgeführt worden, da die Arzt-/Fachgruppe in ihrer gesamten Fallzahlentwicklung im aktuellen Quartal im Vergleich zum Ausgangsquartal um weniger als 1% gestiegen war (Fallzahlgrenze: 1583; Aktuelle Fallzahl: 1771).
Gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/05 (Bescheid vom 23. Januar 2006, später ersetzt durch den Bescheid 29. Juni 2006), I/06 (Bescheid vom 21. Januar 2007) und II/06 (Bescheid vom 4. Februar 2007) legte die Klägerin jeweils am 13. Februar 2006, 6. März 2007 und 26. März 2007 Wide...