Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Anspruch auf Erteilung einer Ermächtigung für ein sozialpädiatrisches Zentrum. Deckung des Sicherstellungsbedarfs einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung durch benachbarte Planungsbereiche
Orientierungssatz
1. Wenn die in § 119 SGB 5 genannten Voraussetzungen vorliegen, besteht trotz der Formulierung “können„ in § 119 Abs 1 S 1 SGB 5 ein Anspruch auf Erteilung der Ermächtigung (vgl LSG Niedersachsen-Bremen vom 9.12.2009 - L 3 KA 29/08).
2. Auch wenn die BSG-Rechtsprechung zu § 116 Satz 2 SGB 5 als Ausgangspunkt für die Beurteilung des Versorgungsbedarfs nach § 119 SGB 5 herangezogen wird, liegen im Falle der Ermächtigung des § 119 SGB 5 Besonderheiten vor, die eine Ausnahme von der Beschränkung auf einen Planungsbereich rechtfertigen (vgl LSG-Niedersachsen Bremen vom 9.12.2009, aaO).
3. Die Ermächtigung gemäß § 119 SGB 5 ist zwar subsidiär zur Versorgung von Kindern durch niedergelassene Ärzte (vgl BSG vom 30.11.1994 - 6 RKa 32/93 = SozR 3-2500 § 119 Nr 1). Wegen der besonderen Aufgaben und Funktion sozialpädiatrischer Zentren, deren Leistungsangebot kinderärztliche Praxen nur selten erbringen dürften, ist jedoch von entscheidender Bedeutung, ob und inwieweit der Sicherstellungsbedarf in einer Region durch bereits ermächtigte sozialpädiatrische Zentren gedeckt wird (vgl LSG-Niedersachsen Bremen vom 9.12.2009, aaO und LSG Essen vom 2.4.2009 - L 11 KA 2/09 ER = MedR 2009, 625). Daher ist darauf abzustellen, ob und inwieweit der Sicherstellungsbedarf einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung durch die in den benachbarten Planungsbereichen ansässigen sozialpädiatrischen Zentren gedeckt ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren zu tragen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 60.000,00 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine Ermächtigung zur Einrichtung eines sozialpädiatrischen Zentrums zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern gemäß § 119 SGB V hat, hilfsweise Anspruch auf Neubescheidung.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH, die das Klinikum der Stadt A-Stadt betreibt. Am 30. Januar 2006 beantragte die Klägerin die Ermächtigung zum Betreiben eines sozialpädiatrischen Zentrums am Klinikum der Stadt A-Stadt. Sie legte ein Konzept für das geplante sozialpädiatrische Zentrum vor und trug vor, bei einem Einzugsgebiet von etwa 400.000 Einwohnern sei ein sozialpädiatrisches Zentrum in A-Stadt zur Versorgung der Bevölkerung dringend erforderlich, da eine sinnvolle Betreuung und Integration behinderter Kinder nur wohnortnah möglich sei. Die nächstgelegenen sozialpädiatrischen Zentren seien weit entfernt und Termine nur mit erheblichen Wartezeiten zu erhalten, eine kontinuierliche Betreuung sei nicht möglich. Die Notwendigkeit eines solchen Zentrums in A-Stadt ergebe sich aus den seit 1. Januar 2006 geltenden, vom gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Regelungen, nach denen in einem Perinatalzentrum behandelte Frühgeborene im Alter von zwei Jahren neurologisch nachuntersucht werden müssten. Das Perinatalzentrum des Klinikums A-Stadt erfülle die Voraussetzungen des Level 1.
Die Beigeladene zu 1) befürwortete den Antrag unter dem 9. Mai 2006 zunächst, da von den niedergelassenen Kinderärzten im Planungsbereich UQ.Kreis ein Versorgungsengpass in der Betreuung von Kindern mit Entwicklungsstörungen bzw. Behinderungen bestätigt worden sei. Sie befürwortete eine Ermächtigung für die Dauer von zwei Jahren für die ambulante sozialpädiatrische Behandlung von Kindern auf Überweisung durch niedergelassene Nervenärzte, Neurologen und Psychiater gemäß § 119 SGB V. Die Klägerin entgegnete, aufgrund der zu behandelten Krankheitsbilder könne ein sozialpädiatrisches Zentrum nur zusammen mit niedergelassenen Pädiatern arbeiten und die Patienten nur mit diesen zusammen betreuen. Vorrangig müsse daher den Pädiatern und den Kinder- und Jugendpsychiatern das Recht eingeräumt werden, Kinder in das sozialpädiatrische Zentrum zu überweisen. Ein sozialpädiatrisches Zentrum betreue interdisziplinär in erster Linie Kinder mit chronischen Erkrankungen oder solche Kinder, die von chronischen Erkrankungen bedroht seien. Damit liege ein Schwerpunkt in Verlaufsuntersuchungen und Langzeitbetreuung. Eine Befristung der Ermächtigung auf zwei Jahre sei daher nicht sinnvoll. Es sei eine Ermächtigung auf wenigstens fünf Jahre auszusprechen. Die Beigeladene zu 1) änderte daraufhin den von ihr vorgeschlagenen Facharztfilter dahingehend, dass die Ermächtigung auf die Überweisung durch niedergelassene Ärzte für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Nervenärzte, Neurologen und Psychiater beschränkt werden sollte.
Die Beigeladenen zur 2) bis 9) ...