Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. selbst genutztes Hausgrundstück. Übernahme von Tilgungsraten bei weitgehendem Abschluss der Finanzierung
Leitsatz (amtlich)
Die Übernahme der Tilgung einer Eigenheimfinanzierung im Rahmen der Leistungen für die Kosten der Unterkunft setzt ua voraus, dass die Finanzierung weitgehend abgeschlossen ist. Dies ist bei einem vor dreißig Jahren erworbenen, selbst genutzten Hausgrundstück dann der Fall, wenn ohne Inflationsbereinigung und ohne Berücksichtigung der Wertsteigerung die Resttilgung nur noch ca 18,7 % des Kaufpreises beträgt und wegen Rentennähe von vornherein nur ein Gesamtleistungsbezug auf die Tilgung von ca 2,7 % des Kaufpreises denkbar ist.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für den Berufungsrechtszug zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 3. Januar 2011 bis 1. Februar 2012 unter Berücksichtigung der darlehensvertraglich geschuldeten Tilgung des Kredits für sein selbstgenutztes Eigenheim. Im Streit steht nunmehr noch die Verfügung über die darlehensweise Gewährung der Kosten der Unterkunft, soweit sie rechnerisch Tilgungsleistungen betrifft.
Der 1950 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur (FH) und war bis 15. Juni 2002 im Vertrieb bei verschiedenen EDV-Unternehmen tätig. Nach Ausschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs wechselten sich ab 2005 Leistungsbezug bei dem Beklagten, kurze Beschäftigungen und Arbeitslosengeldbezug ab.
Er ist seit 1984 Eigentümer eines selbstbewohnten Einfamilienhauses in der A-Straße in A-Stadt mit einer Wohnfläche von ca. 78 m2. Der eingeschossige Wohnbereich umfasst vier Zimmer, eine Abstellkammer, Küche, Flur, Bad und Toilette. Die Zimmer haben Größen vom 9 m2 bis 13 m2. Die Wohnung befindet sich nach unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers in renovierungsbedürftigem Zustand. Das Grundstück hat ausweislich des Grundbuches von A-Stadt Blatt 1234 Flur 1 Flurstück 123 eine Fläche von 492 m2. Der Kaufpreis betrug seinerzeit 290.000 DM. Nennenswertes Eigenkapital war nach den Angaben des Klägers nicht vorhanden. Die Finanzierung des Hauserwerbs erfolgte u.a. über ein Bauspardarlehen bei der B. und über ein Hypothekendarlehen bei der C-Sparkasse bzw. deren Rechtsvorgängerin. Das Darlehen der Sparkasse wurde mit einer Grundschuld über 245.000,-- DM gesichert. Zum Wert des Grundstücks hat der Kläger bei seiner Antragstellung keine Angaben gemacht. Der zur Rückzahlung des Bauspar- und Hypothekendarlehens vom Kläger jährlich zu zahlende Betrag für Zins und Tilgung belief sich im Jahr 2011 auf 1.581,84 € bei der C-Sparkasse (Tilgung: 516,14 €, Zins: 1.065,70 €) und 2.392,80 € bei der B. (davon Tilgung 2.115,20 €). Nach dem Tilgungsplan der C-Sparkasse vom 31. Januar 2011 seien zum Stichtag am 30. Januar 2011 noch 43.368,02 € bis zum Jahr 2037 zu zahlen gewesen (Tilgung: 25.309,83 €; Zins: 17.798,19 €; Kosten: 260,-- €). Am 30. Januar 2012 belief sich die Restschuld des Darlehens bei der B. noch auf 389,79 €. Das letztgenannte Darlehen wurde noch im Jahr 2012 vollständig getilgt.
Die Verwaltungspraxis des Beklagten sah bei einem Ein-Personen-Haushalt eine Netto-Kaltmiete von 360,-- € sowie einen Betriebskostenreferenzwert von 2,10 €/m2 vor.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 3. Januar 2011 bis 31. Juli 2011 Leistungen nach dem SGB II. An Unterkunftskosten nach § 22 SGB II berücksichtigte der Beklagte monatliche Zinsen in Höhe von 88,81 € sowie zusätzliche Kosten für Abgaben an die Stadt von 34,00 €, Feuerversicherung 4,15 € und Grundsteuer von 6,18 €. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 8. März 2011 Widerspruch ein, weil die Leistungen nicht seinen Lebensunterhalt sicherten. Im Wesentlichen ginge es um die Kosten für die Hausbelastung. Die Tilgungsleistungen seien notwendig, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Außerdem sei zu bedenken, dass die Kosten für die Elektroversorgung stiegen, 8,00 € Zuzahlung an die DAK zu leisten sei und eine Zahnzusatzversicherung von 12,66 € monatlich bestehe.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2011 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis 1. Februar 2012 SGB Il-Leistungen im oben genannten Umfang, wogegen der Kläger ebenfalls Widerspruch einlegte.
Der Kläger ersuchte am 3. August 2011 um Eilrechtsschutz und hat gleichzeitig Klage erhoben. Die zunächst beim Sozialgericht in Darmstadt erhobene Klage ist wegen örtlicher Unzuständigkeit mit Beschluss vom 11. August 2011 an das Sozialgericht Wiesbaden verwiesen worden. Das ebenfalls verwiesene gerichtliche Eilverfahren (Az.: S 16 AS 599/11 ER) wurde am ...