Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Arzneimittelversorgung. Off-Label-Use

 

Orientierungssatz

Arzneimittel dürfen auch in der stationären Krankenhausbehandlung nur zulassungskonform und zulassungsüberschreitend nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Off-Label-Use angewendet werden, wobei es unerheblich ist, ob die Arzneimittelversorgung als (reine) Pharmakotherapie oder als (Teil einer) Behandlungsmethode (iS der §§ 135, 137c SGB 5) stattfindet (vgl LSG Stuttgart vom 31.1.2018 - L 5 KR 2399/16 = PharmR 2018, 262 = juris RdNr 39 und LSG Erfurt vom 25.4.2017 - L 6 KR 1870/13 = KHE 2017/33 = juris RdNr 22).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2.950,- € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Vergütung eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes.

Die Klägerin ist Trägerin des A. Hospitals in A-Stadt. Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte C. (nachfolgend Versicherte) befand sich dort in der Zeit vom 4. November bis zum 16. Dezember 2011 zur vollstationären Behandlung aufgrund einer sensiblen Querschnittslähmung unterhalb Th10 mit Blasenentleerungsstörungen. Bereits zuvor waren bei der Versicherten thorakoskopische Bandscheibenoperationen (2003 am BWK 5/6 und 2005 am BWK 7/8) sowie eine Bandscheibenoperation mit angestrebter Fusion des BWK 9/10 durch die Interposition eines Rippenköpfchens (am 13. Juli 2010) durchgeführt worden. Während der streitgegenständlichen Behandlung wurde bei der Versicherten die fehlende Ausbildung einer knöchernen Verbindung zwischen den beiden Wirbeln BWK9 und BWK10 (sog. „non-union") festgestellt. Aufgrund dessen wurde eine Revisionsoperation unter Verwendung von Wachstumsfaktoren durch die Gabe von Dibotermin alfa durchgeführt, einem osteoinduktiven Protein, das die Bildung von neuem Knochengewebe an der Implantationsstelle stimuliert. Von der Klägerin wurde die Indikation hierfür bejaht, da ansonsten lediglich die Alternative bestanden hätte, eine erneute Transplantation von Eigenknochen vorzunehmen, wie bereits bei der Operation am 13. Juli 2010. Für einen Ersteingriff stelle die Transplantation von Eigenknochen noch immer einen Goldstandard dar, weil diese Vorgehensweise prinzipiell ein gutes Knochenbildungspotential aufweise. Da bei der Versicherten bereits bei der Operation am 13. Juli 2010 eine Knochentransplantation mit Eigenknochen erfolgt sei, habe bei einer erneuten Verwendung dieses Materials von einer anderen Entnahmestelle keine begründete Hoffnung auf eine bessere Heilungstendenz bestanden. Eine weitere Möglichkeit zur Behandlung wäre die alleinige Verwendung von Fremdknochenersatzmaterial gewesen. Der Einsatz von Fremdknochen berge jedoch das Risiko der Übertragung von Krankheiten sowie Abstoßungsreaktionen; Knochenersatzmaterialien bedingten ein geringeres Knochenheilungspotential im Vergleich mit Eigenknochen und Wachstumsfaktoren. Aufgrund des Standes der aktuellen Forschung zum Zeitpunkt des Eingriffs sei hingegen bei „non union" von einer verbesserten Heilungsrate durch die Anwendung von Wachstumsfaktoren mittels des Medikaments Dibotermin alfa auszugehen gewesen.

Am 3. Januar 2012 stellte die Klägerin der Beklagten für die stationäre Behandlung insgesamt Kosten in Höhe von 21.272,70 € in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) 106D sowie des Zusatzentgeltes (ZE) 2011-63 in Höhe von 2.950,- €. Die Fallpauschale basierte u.a. auf der Kodierung der Hauptdiagnose (nach der ICD-10) M42.14 und des Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 6-003.40.

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst in voller Höhe und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Mit Gutachten vom 9. Oktober 2012 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die vollstationäre Behandlung und die Behandlungsdauer nachvollziehbar seien. Nicht nachvollziehbar sei die Kodierung des OPS 6-003.40. Bei der Einbringung von Dibotermin alfa handele es sich um einen Off-Label-Use. Das ZE 2011-63 sei daher zu streichen. Am 31. Oktober 2012 wurde von der Beklagten der hieraus resultierende Differenzbetrag in Höhe von 2.950,- € mit anderen Forderungen der Klägerin verrechnet. Auf die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände wurde von der Beklagten nochmals der MDK mit einer Stellungnahme beauftragt, welcher mit Gutachten vom 23. April 2013 seine Auffassung bestätigte.

Mit Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden vom 23. Dezember 2015 hat die Klägerin die Zahlung des streitigen Betrages gerichtlich geltend gemacht.

Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, dass die Abrechnung des Zusatzentgeltes ZE 2011-63 gemäß der Anl. 6 zum Fallpauschalenkatalog 2011 i.H.v. 2.950,00€ rechtmäßig erfolgt sei. Die R...

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