2.1 Erstattungsanspruch
Rz. 3
Voraussetzung für die Verrechnung ist zunächst das Bestehen eines Anspruchs auf Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen i. S. d. § 26 Abs. 2.
Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein Erstattungsanspruch gegen den angegangenen Versicherungsträger vorliegt (vgl. § 26). Wenn ein Erstattungsanspruch bei dem Versicherungsträger gegeben ist, muss die Höhe des Erstattungsanspruchs für den jeweiligen Empfänger (im allgemeinen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) ermittelt werden. § 26 Abs. 3 bestimmt ausdrücklich, dass der Erstattungsbetrag demjenigen zusteht, der die Beiträge getragen hat. Soweit dem Arbeitgeber Beiträge, die er getragen hat, von einem Dritten ersetzt worden sind, entfällt sein Erstattungsanspruch. Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorschriften darf somit für die Verrechnung nur der Teil des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge herangezogen werden, der dem Berechtigten selbst als Erstattungsanspruch zusteht (vgl. § 26).
Hinzu kommt, dass der Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge auch fällig sein muss, wenn verrechnet werden soll.
2.2 Verrechnung von Beitragsansprüchen für einen Leistungsträger
Rz. 4
Als Voraussetzung für eine Verrechnung muss sowohl der Erstattungsanspruch des Berechtigten auf zu Unrecht entrichtete Beiträge gegeben sein als auch ein Anspruch eines anderen Sozialleistungsträgers gegen den Berechtigten bestehen.
Die Verrechnung von Erstattungsansprüchen stellt eine Aufrechnung unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit von Schuldner und Gläubiger dar.
Der andere Leistungsträger muss zunächst den für die Erstattung zuständigen Leistungsträger ermächtigen, seine Ansprüche gegen denjenigen, der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen hat, zu verrechnen. Die Ermächtigung zur Verrechnung muss hinreichend substantiiert sein. Art und Umfang der Forderung sind so genau zu bezeichnen, dass der verrechnende Sozialleistungsträger eine substantiierte Verrechnungserklärung mit der Folge des Erlöschens sich gegenüberstehender Forderungen abgeben kann. Anzugeben ist auch, dass die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig ist, weil grundsätzlich keine Forderungen in das Verrechnungsverfahren einbezogen werden dürfen, die noch nicht abschließend in dem jeweils hierfür vorgesehenen Verfahren bestands- bzw. rechtskräftig festgestellt worden sind. Die zur Verrechnung gestellte Forderung des anderen Leistungsträgers muss wirksam und (anders als bei der Aufrechnung nach Nr. 2) fällig sein. Ihre Erfüllung muss also erzwungen werden können und es darf ihr keine Einrede entgegenstehen. Nach § 28f Abs. 3 Satz 3 gelten die vom Arbeitgeber der Einzugsstelle zu übermittelnden Beitragsnachweise für die Vollstreckung als Leistungsbescheide der Einzugsstelle. Das LSG Baden-Württemberg (Urteil v. 23.2.2017, L 10 R 1501/16) erachtet dies als für die Verrechnung ausreichend (so auch Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 52 Rz. 37).
Die Ermächtigungserklärung ist kein Verwaltungsakt. Für die Verrechnung als solche darf der Träger hingegen die Form des Verwaltungsaktes wählen (BSG, Urteil v. 31.10.2012, B 13 R 13/12 R, in Anschluss an BSG, Beschluss v. 31.8.2011, GS 2/10), muss es aber nicht (vgl. BSG, Urteil v. 31.5.2016, B 1 KR 38/15 R). Zur hinreichenden Bestimmtheit des Verrechnungs-Verwaltungsaktes vgl. BSG, Urteil v. 7.2.2012, B 13 R 85/09 R.
Als Leistungsträger sind die in §§ 18 bis 29 SGB I genannten Anstalten, Behörden und Körperschaften anzusehen. Eine Verrechnung des Erstattungsanspruchs mit Ansprüchen anderer Behörden, also insbesondere der Finanzämter, ist nach § 28 nicht zulässig. Die vom BSG zu § 52 SGB I entwickelten Grundsätze zur Verrechnung in der Insolvenz sind übertragbar. Die Befugnis des für eine Geldleistung zuständigen Leistungsträgers, mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers, dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung zu verrechnen, bleibt im Fall der Insolvenz des Berechtigten grundsätzlich wirksam (BSG, Urteil v. 10.12.2003, B 5 RJ 18/03 R). Die Verrechnungsgrenzen der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I finden hingegen keine Anwendung. Die Auskehr von Beitragserstattungsansprüchen ist nicht in gleichem Maße schutzbedürftig.
Einen praktisch bedeutsamen Anwendungsfall der Verrechungsbefugnis bildet die Rückforderung des Beitragszuschusses, den der Rentenversicherungsträger freiwillig krankenversicherten Rentnern gewährt (§ 106 SGB VI). Wird die Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR), oft zeitlich weit zurückreichend, festgestellt, so muss der Rentenversicherungsträger die Bewilligung aufheben und den Zuschuss zurückzufordern (§ 108 Abs. 2 SGB VI). Den regelmäßig bestehenden Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht geleisteten Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung kann die Krankenkasse mit dem Rückforderungsanspruch des Rentenversicherungsträgers verrechnen. Zu beachten ist, dass der Bewilligungsbescheid über den Beitragszuschuss nach § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB VI i. d. F. v. 17.11.2016 nicht aufgehoben wird, soweit Zeiten betroffen s...