Rz. 130
Die Vorschrift bestimmt, dass ein Hausgewerbetreibender als Beschäftigter gilt, soweit der Arbeitgeber eines Hausgewerbetreibenden Arbeitgeberpflichten erfüllt. Die Vorschrift fingiert ("gilt") unter den genannten Voraussetzungen die Arbeitgebereigenschaft. Hierzu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es um einen Hausgewerbetreibenden gehen, zum anderen muss der Arbeitgeber Arbeitgeberpflichten erfüllen. Ist beides der Fall, greift die Fiktion und der Hausgewerbetreibende gilt als Beschäftigter. Dann gelten für den Arbeitgeber die allgemeinen Meldepflichten. Anderenfalls hat der Hausgewerbetreibende die Meldungen selbst abzugeben (§ 28m Abs. 3 SGB IV). Hierbei hat die Einzugsstelle mitzuwirken.
Rz. 131
Hausgewerbetreibende sind selbständig Tätige, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewerblich arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen oder vorübergehend für eigene Rechnung tätig sind (§ 12 Abs. 1 SGB IV). Aus dem Begriffsmerkmal „selbständig“ folgt, dass Arbeitszeit und Arbeitsverlauf frei bestimmt werden und nicht dem Direktionsrecht eines Arbeitgebers unterliegen. Die Arbeitsstätte kann in der Wohnung oder in einer eigenen Betriebsstätte sein. Der Hausgewerbetreibende darf auch Mitarbeiter beschäftigen.
Rz. 132
Ob und inwieweit der Arbeitgeber Arbeitgeberpflichten erfüllt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Maßgebend hierfür sind die arbeitsrechtlichen Vorgaben. Die festgelegten Pflichten in einem Arbeitsvertrag werden in Hauptpflichten und Nebenpflichten unterteilt. Hauptpflichten sind solche Pflichten, die aus dem Gesetz folgen und nicht disponibel sind. Allenfalls die Art der Umsetzung dieser Pflichten ist verhandelbar. Erbracht werden muss die Pflicht indessen auf jeden Fall. Hauptpflicht eines Arbeitsvertrags ist z. B. die Zahlung des Lohns oder die Gewährung von Urlaub. Demgegenüber sind die Nebenpflichten weder gesetzlich verankert noch folgen sie automatisch aus der Vertragsart. Sie resultieren letztlich als Ergebnis aus der jeweiligen Vertragsverhandlung. Insoweit ist zwischen allgemeinen und individuellen Nebenpflichten zu unterscheiden. Zu den allgemeinen Nebenpflichten gehört z. B. die Datenschutzpflicht. Individuelle Nebenpflichten ergeben sich direkt aus der Vertragsverhandlung und können von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag abweichen oder in manchen Verträgen vorhanden sein und in anderen nicht (vgl. hierzu auch https://www.lexoffice.de/lohn/wissen/arbeitgeberpflichten/).
Rz. 133
Erweist sich nach diesen Vorgaben, dass der Arbeitgeber des Hausgewerbetreibenden Arbeitgeberpflichten erfüllt, gilt jener als Beschäftigter. Offen bleibt, ob es ausreicht, wenn der Arbeitgeber eine Arbeitgeberpflicht erfüllt oder ob dies mehrere sein müssen. Offen bleibt auch, ob schon Nebenpflichten statusbegründend sind. Ausweislich des Wortlauts muss es sich um "Arbeitgeberpflichten" handeln. Das könnte als Pluralform verstanden werden. Mithin müsste der Arbeitgeber jedenfalls zwei Pflichten erfüllen. Das wiederum erscheint nicht als zwingend, denn das Substantiv "Arbeitgeberpflichten" kann abstrahierend auch so verstanden werden, dass aus der Vielzahl von Pflichten jedenfalls eine erfüllt werden muss. Dann würde bereits eine Nebenpflicht ausreichen, um die Fiktion greifen zu lassen. Im Ergebnis wird es auf eine wertende Gesamtschau ankommen. Die Erfüllung einer Nebenpflicht begründet schon arbeitsrechtlich schwerlich den Status eines Arbeitgebers. Notwendig wäre eine Kombination aus mehreren Haupt- und Nebenpflichten.