2.1 Zahlungspflichtiger (§ 28e Abs. 1 Satz 1)
2.1.1 Einführung
Rz. 12
Der Arbeitgeber ist im Arbeitsverhältnis für die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach §§ 28d, 28e verantwortlich (BAG, Urteil v. 21.12.2016, 5 AZR 273/16; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.2.2022, 25 Sa 1472/20; vgl. auch Rz. 11). Er hat einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf den von ihm zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28g), den er – der Arbeitgeber – nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen kann. Er hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Die Abführung der Beiträge begründet einen besonderen Erfüllungseinwand. Die Erfüllungswirkung tritt nur dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennen konnte, dass keine Verpflichtung zum Abzug besteht. Der Arbeitgeber muss nicht aufrechnen und auch die Pfändungsfreigrenzen (§§ 394, 850 ff. ZPO) nicht beachten (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v 23.2.2022, 25 Sa 1472/20). Soweit Wertguthaben aus flexiblen Arbeitszeiten nach § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) übertragen wurden, ist diese für die Beitragszahlung zuständig. In einem solchen Fall hat die DRV Bund mithin die Pflichten des Arbeitgebers zu erfüllen. Die Zahlungspflicht trifft auch denjenigen, der als Arbeitgeber gilt oder die Pflichten des Arbeitgebers zu erfüllen hat (BSG, Urteil v. 28.6.2022, B 12 KR 5/20 R).
2.1.2 Arbeitgeber
Rz. 13
Der Rechtsbegriff des Arbeitgebers wird in den einzelnen Rechtsbereichen in Nuancen unterschiedlich definiert (ausführlich zu den Unterschieden des arbeitsrechtlichen und des sozialrechtlichen Arbeitgeberbegriffs vgl. Wickel, Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com, 2/2016, 189, 190 f.). Maßgebend für das Verständnis dieses Begriffs i. S. d. § 28e Abs. 1 Satz 2 ist das Sozialversicherungsrecht (a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.1.2011, L 1 KR 620/07: "Ob jemand Arbeitgeber ist oder nicht, entscheidet sich auch im Sozialversicherungsrecht nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts."). Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige, zu dem ein anderer – der Beschäftigte – in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.7.2020, L 8 BA 194/19 B ER; OLG Braunschweig, Beschluss v. 27.5.2015, 1 Ss 14/15). Das BSG hat bereits mit Urteil v. 20.12.1962 (3 RK 31/58) als Arbeitgeber i. S. d. Krankenversicherung im Zweifel denjenigen angesehen, der den Lohn schuldet. Im Übrigen ist sozialrechtlich derjenige der Arbeitgeber, der unter Ausübung des Direktionsrechts über die Arbeitskraft des Beschäftigten verfügt (hierzu im Einzelnen die Komm. zu § 7 SGB IV).
Rz. 14
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ist Beschäftigung – als Gegenstück zum Begriff des Arbeitgebers – die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine solche Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (vgl. BSG, Urteil v 28.6.2022, B 12 R 4/20; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.7.2020, L 8 BA 194/19 B ER). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – namentlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG, Urteil v. 29.3.2022, B 12 R 2/20 R; Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R). Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind – ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten – die tatsächlichen Gegebenheiten der "gelebten Beziehung", die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (hierzu auch BGH, Urteil v. 8.3.2023, 1 StR 188/22; Beschluss v 24.9.2019, 1 StR 346/18). Maßgebend für die rechtliche Einordnung eines Vertrages ist im Übrigen der Geschäftsinhalt und nicht eine von den Parteien gewählte Bezeichnung, die dem rechtlich nicht entspricht (hierzu BGH, Urteil v. 30.11.2023, 3 StR 192/18).
Rz. 15
Arbeitsrechtlich ist Arbeitgeber jeder, der einen Arbeitnehmer beschäftigt (BAG, Urteil v. 21.1.1999, 2 AZR 648/97). Legaldefinitionen des Arbeitgeberbegriffs finden sich beispielsweise in § 2 Abs. 3 ArbSchG oder § 6 Abs. 2 AGG. Maßgebend ist, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde, mithin wer die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers kraft Arbeitsvertra...