0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem sog. Einordnungsgesetz v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2330) mit Wirkung zum 1.1.1989 in das SGB IV eingefügt worden. Sie ist seitdem mehrfach geändert worden, zuletzt mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848). Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) wurde mit den Ergänzungen der Abs. 1 und 3 mit Wirkung zum 1.1.2009 sichergestellt, dass die Bestimmungen über die Schadensersatzpflicht und die Verzinsung auch für den Gesundheitsfonds gelten. Die Ergänzung des Abs. 3 mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) v. 30.10.2008 (BGBl. I S. 2130) mit Wirkung zum 1.1.2009 stellt sicher, dass die Bestimmungen über die Schadensersatzpflicht und die Verzinsung auch gegenüber den Unfallversicherungsträgern entsprechend anzuwenden sind.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Seit 1996 ist die Haftung der Einzugsstelle sowohl auf die Organe der Einzugsstelle als auch auf die Bediensteten ausgedehnt worden. Weiterhin ist auch die Haftung der Organe und der Bediensteten der Träger der Rentenversicherung als Auswirkung der neuen Zuständigkeitsregelung für Prüfungen bei den Arbeitgebern eingeführt worden.
Somit sind alle betroffenen Träger, die mit der Erfüllung der in §§ 28a bis 28q festgelegten Verpflichtungen betraut sind, für etwaige einem anderen Versicherungsträger zugefügte Schäden schadensersatzpflichtig.
2 Rechtspraxis
2.1 Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle
Rz. 2
Die Voraussetzungen der Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle regelt Abs. 1. Eine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. d. Abs. 1 liegt bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln vor. Die Schadensersatzpflicht trifft unmittelbar die Krankenkasse als Einzugsstelle der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und damit die Körperschaft des öffentlichen Rechts, auch wenn der Schaden durch eine Pflichtverletzung eines Organs oder eines Bediensteten verursacht wurde.
Die Einzugsstelle hat die ordnungsgemäße Abgabe der Meldungen, die rechtzeitige Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie den Eingang der Beitragsnachweise zu überwachen. Die Beschränkung der Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle auf schuldhafte Verletzung der ihr auferlegten Pflichten erfasst daher auch die Verpflichtung der Einzugsstelle aus mit diesen Pflichten zusammenhängenden Aufgaben z. B. aus § 76 Abs. 3. Danach entscheidet die Einzugsstelle über die Stundung, Niederschlagung und den Erlass von Beitragsansprüchen. Soweit bei diesen Aufgaben eine Verfahrensverletzung eintritt, kann diese eine Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle auslösen. Eine weitere Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle kann sich aus einer unterlassenen Vollstreckungsmaßnahme nach § 28h Abs. 1 Satz 3 gegen einen Beitragsschuldner ergeben, obgleich die Vollstreckungsmaßnahme nach Lage des Falles hätte vorgenommen werden müssen. Die gilt entsprechend gegenüber den Trägern der Unfallversicherung für die Prüfung durch die Rentenversicherungsträger.
Als Schadensersatz ist der Vermögensschaden zu ersetzen, der durch schuldhaftes oder pflichtwidriges Handeln der Einzugsstelle dem Träger der sozialen Pflegeversicherung, dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Gesundheitsfonds entstanden sind. Schuldhaftes Handeln wird z. B. dann angenommen, wenn die Einzugsstelle die fälligen Beiträge nicht oder nicht rechtzeitig eingezogen hat. Der Schadensersatz umfasst dann sowohl die nicht eingezogenen Beiträge als auch den durch den verspäteten Einzug der Beiträge entstandenen Zinsverlust. Der Zinsschadensersatz ist allerdings nach Abs. 1 Satz 2 auf die in Abs. 2 bestimmte Höhe beschränkt.
Seitdem die Einzugsstellen verpflichtet sind, für nicht bis zum Fälligkeitstag eingegangene Beiträge Säumniszuschläge zu erheben (vgl. § 25), haben sie den Fremdversicherungsträgern und dem Gesundheitsfonds auch Schadensersatz für etwaige nicht erhobene Säumniszuschläge zu leisten. Der Schaden besteht in Höhe der nicht eingezogenen – anteiligen – Säumniszuschläge, weil bei ordnungsgemäßem Handeln die anderen Versicherungsträger und der Gesundheitsfonds die anteiligen Säumniszuschläge erhalten hätten.
Die Einzugsstelle hat nach dem Urteil des LSG Berlin v. 1.6.1994 (L 9 Kr 98/93, Die Beiträge 1994 S. 525) jeden Grad der Fahrlässigkeit zu vertreten. Für den Schadensersatz gilt die 4-jährige Verjährungsfrist.
Wie schwierig die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen eine Krankenkasse ist, zeigt ein Fall, in dem eine Firma, für die eine AOK Einzugsstelle war, von 1980 bis 1985 an Aushilfskräfte etwa 1,8 Mio. DM an Löhnen gezahlt hatte, ohne Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse waren im Einzelnen nicht aufzuklären. Aufgrund einer Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle wurden 80 % der Lohnsumme der Lohnsteuer unterworfen; die Lohnsteuer wurd...