Rz. 2
Ausgangspunkt der Prüfung eines Auslandsbezuges sozialrechtlicher Sachverhalte ist § 30 Abs. 1 SGB I. Diese Vorschrift erklärt das Territorialitätsprinzip als maßgebend, beschränkt mithin die staatliche Hoheitsgewalt auf das Staatsgebiet (Wietek, in: LPK-SGB IV, 2007, § 3 Rz. 3; vgl. hierzu auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB IV, § 3 Rz. 1) und lässt eine Weitergeltung des nationalen Rechts nicht zu, wenn kein aktueller Bezug zum jeweiligen Staatsgebiet (mehr) gegeben ist (BSG, Urteil v. 5.7.2005, B 1 KR 4/04 R, SozR 4-2400 § 3 Nr. 2; LSG Saarland, Urteil v. 16.7.2014, L 2 KR 50/11, juris). Nach § 30 Abs. 1 SGB I gelten die Vorschriften des SGB für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. § 30 Abs. 2 SGB I bestimmt, dass Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben. Nach § 37 SGB I gilt das SGB I für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus dem Zweiten bis Neunten Buch nichts Abweichendes ergibt. Dieser Systematik kann der Grundsatz entnommen werden, dass das SGB (einschließlich der als besondere Teile geltenden spezialgesetzlichen Regelungen, vgl. Art. II § 1 SGB I) regelmäßig nur auf die Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland Anwendung findet (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.1993, 13 RJ 11/92).
Rz. 3
Durch § 3 wird in Ergänzung zu § 30 SGB I der persönliche und räumliche Anwendungsbereich der Vorschriften über die Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung in der Sozialversicherung bestimmt (vgl. BT-Drs. 7/4122 S. 30). Zur Arbeitsförderung vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2. Hierzu wird das aus § 30 SGB I folgende Territorialitätsprinzip für den Bereich der Sozialversicherung (§ 2) modifiziert. § 3 ist lex spezialis zu § 30 Abs. 1 SGB I (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB IV, § 3 Rz. 1). Nach § 3 gelten im Beitragsrecht die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind (Nr. 1), während der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt nur (wie nach § 30 Abs. 1 SGB I) der maßgebliche Anknüpfungspunkt bleibt, soweit eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht vorausgesetzt wird (Nr. 2). Hiernach ist innerhalb des territorialen Zuständigkeitsbereichs des Gesetzgebers das von ihm gesetzte Recht für alle Betroffenen ohne Rücksicht auf deren Staatsangehörigkeit verbindlich. Die Versicherungspflicht in § 3 knüpft an den Beschäftigungsort an.
Rz. 4
Nr. 1 regelt insofern, dass Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung nach deutschem Recht nicht durch den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sondern durch Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit in diesem Gebiet begründet werden, sofern Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen. Die Begriffe der Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung sind in § 2 Abs. 1 legal definiert. Systematisch steht die Versicherungspflicht in einem inhaltlichen Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und die Versicherungsberechtigung in einem solchen mit § 3 Abs. 1 Nr. 2 (hierzu Wietek, a. a. O., § 3 Rz. 4).
Rz. 5
§ 3 wird durch §§ 4 bis 6 ergänzt (hierzu LSG Hessen, Urteil v. 5.12.2011, L 3 U 174/10, juris). Durch § 4 wird der Geltungsbereich des § 3 mittels Ausstrahlung ausgedehnt. § 5 schränkt den Geltungsbereich wiederum durch das Institut der Einstrahlung ein. § 6 schließlich bestimmt, dass Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben, mithin vorrangig sind.
Rz. 6
Das deutsche Sozialversicherungsrecht gilt nach § 3 nur, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. § 3 regelt, unter welchen räumlichen und persönlichen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zur Sozialversicherung begründet wird, nämlich
- Tätigkeitsort bzw. Beschäftigungsort (Nr. 1) oder
- Ort des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts (Nr. 2).
Das Leistungsrecht bleibt hiervon unberührt. Hierfür gelten besondere Regelungen (Seewald, KassKomm-SGB IV, § 3 Rz. 3). § 3 normiert mithin keine eigenen Rechtsansprüche auf Zugang zur Sozialversicherung. Für die Begründung einer Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung ist vielmehr erforderlich, dass die in den Besonderen Teilen des SGB vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sind (Wietek, a.a.O, § 3 Rz. 5). § 3 hat insofern nur den Charakter einer Rahmenregelung für die anderen Bereiche der Sozialversicherung (nicht für die private Pflegeversicherung, vgl. BSG, Urteil v. 2.9.2009, B 12 P 2/08 R) und der Arbeitsförderung (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2). Allerdings: Obwohl § 3 nicht unmittelbar etwas über das Leistungsrecht aussagt (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 31.1.2012, L 9 AL 100/11, juris), wird aus § 3 Nr. 1 u. a. für den Bereich der Arbeitsförderung (vgl. hierzu § 1 Abs. 1 Satz 2) eine weitgehende Durchbrechung des Territorialitätsprinz...