0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 74 ist mit der Einführung des SGB IV durch das Gesetz v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3845) am 1.7.1977 in Kraft getreten. Die §§ 67 bis 79 waren erstmals für das Haushaltsjahr 1978 anzuwenden.
Mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) wurde die Vorschrift ergänzt (bei der Bundesagentur für Arbeit Nichteinwilligung des Verwaltungsrats in überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben nach § 73 Abs. 1). Seitdem blieb sie inhaltlich unverändert.
Mit dem Gesetz v. 12.11.2009 (BGBl. I S. 3710) wurde das Vierte Buch Sozialgesetzbuch in der seit dem 1.9.2009 geltenden Fassung wiederholt neu bekannt gemacht.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Sollten im Laufe des Haushaltsjahres die veranschlagten Mittel nicht ausreichen und ist der Vorstand (bei der Bundesagentur für Arbeit der Verwaltungsrat) wegen fehlender rechtlicher Voraussetzungen nicht in der Lage oder nicht willens, in die nach § 73 vorgegebenen Möglichkeiten der außer- oder überplanmäßigen Ausgaben einzuwilligen, wird in der Vorschrift des § 74 das Instrument des Nachtragshaushaltes zwingend vorgeschrieben. Er ist eine Ergänzung zum festgestellten Haushaltsplan und bildet mit diesem den neuen Haushaltsplan. Damit wird sichergestellt, dass die Versicherungsträger jederzeit die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen können (vgl. §§ 30 SGB IV, 368 Abs. 1 Satz 2 SGB III).
Die Regelung beruht auf Art. 110 Abs. 3 Satz 1 GG (Möglichkeit von Vorlagen zur Änderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes). Eine entsprechende Vorschrift für den Bundesbereich findet sich in § 33 BHO (Nachträge zum Haushaltsgesetz und zum Haushaltsplan).
Zum Geltungsbereich vgl. § 67.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzungen (Satz 1)
Rz. 2
Voraussetzung für die Durchführung des Nachtragshaushaltsverfahrens ist, dass der Vorstand (bei der Bundesagentur für Arbeit: der Verwaltungsrat) in überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben nach § 73 Abs. 1 nicht einwilligt. Die Nichteinwilligung kann darauf beruhen, dass die Voraussetzungen nach § 73 Abs. 1 nicht erfüllt sind und somit eine Einwilligung rechtlich nicht zulässig ist. Das Nachtragshaushaltsverfahren kann aber auch durchgeführt werden, wenn eine Einwilligung nach § 73 Abs. 1 zulässig wäre, ein Nachtragshaushalt jedoch für zweckmäßiger gehalten wird, z. B. bei umfangreichen gesetzlichen Änderungen mit wesentlichen Auswirkungen auf den Haushaltsplan. Ein Nachtragshaushalt beschränkt sich nicht auf einen einzelnen über- oder außerplanmäßigen Bedarf, sondern berücksichtigt angemessen, wenn die bisherige und abzusehende weitere Entwicklung wesentlicher Einnahmen, Ausgaben und überjährig zahlungswirksamen Verpflichtungen stark von den Annahmen abweicht, die der Veranschlagung zugrunde gelegen hatten. Dementsprechend treten zu den bisherigen Ansätzen Mehr- oder Mindereinnahmen, Mehr- oder Minderausgaben sowie Mehr- oder Minderbedarfe bei Verpflichtungsermächtigungen hinzu.
Ein Nachtragshaushaltsverfahren ist auch dann durchzuführen, wenn zusätzlicher Bedarf an Planstellen und Stellen und/oder an Stellenhebungen ausgeglichen werden muss. Da Stellenmehrungen und Stellenhebungen in § 73 Abs. 1 nicht aufgeführt sind, können überplanmäßig oder außerplanmäßig keine Stellenmehrungen und/oder Stellenhebungen erfolgen.
Bei der Einleitung eines Nachtragshaushaltsverfahrens ist i. d. R. bereits ein Haushaltsplan festgestellt. Ist dies noch nicht der Fall, ist der vom Vorstand aufgestellte Haushaltsplan (vgl. § 70 Abs. 1) entsprechend zu ergänzen.
Die Aufstellung des Nachtragshaushalts ist spätestens innerhalb des Haushaltsjahres erforderlich, für das er gelten soll (vergleichbar mit der Regelung des § 33 Satz 2 BHO im Haushaltsrecht des Bundes, wonach der Entwurf für Nachträge bis zum Ende des Haushaltsjahres einzubringen ist).
2.2 Verfahren (Satz 2)
Rz. 3
Die Gliederung des Nachtragshaushaltsplans richtet sich nach den betroffenen Haushaltsstellen. In der horizontalen Gliederung der betroffenen Haushaltsstellen sind im Nachtragshaushaltsplan hinsichtlich des Geldansatzes der bisherige Geldansatz, das Mehr oder Weniger und der neue Geldansatz darzustellen. Nachträge verändern im Regelfall auch den Haushaltsausgleich. Er bliebe dann nur unberührt, wenn alle Mehr- und Mindereinnahmen sowie alle Mehr- und Minderausgaben sich vollständig ausgleichen oder wenn lediglich höhere oder geringere Verpflichtungsermächtigungen betroffen wären.
Ob und in welchem Umfang dem Nachtragshaushaltsplan Anlagen beizufügen sind, lässt sich nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung der erforderlich gewordenen Änderungen beantworten.
Die jeweiligen Vorschriften für
- die Auf- und Feststellung des Haushaltsplans (§§ 67 bis 69, §§ 70, 71, 71a und 71b sowie 71d bis 71f),
- eine erforderliche Vorlage des Haushaltsplans an die Aufsichtsbehörde (bei der gesetzlichen Krankenversicherung, den Regionalträgern der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung) bzw. an die Bundesregierung (bei der Deutschen Rentenversicherung Bund),
- eine erforderliche Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (bei der Beru...