Rz. 26
§ 7 Nr. 2 formuliert ein Ausschlussziel. Verfolgt die Wertguthabenvereinbarung dieses Ziel, so ist sie nichtig. Anders gewendet: Konstitutiv für eine Wertguthabenvereinbarung ist, dass damit nicht das Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder der Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgt wird.
Hierdurch werden Wertguthabenvereinbarungen deutlich von anderen Modellen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung abgegrenzt. Zwei Modelle von Arbeitszeitkonten nimmt das Gesetz insoweit ausdrücklich von den Regelungen über Wertguthaben aus. Im Ergebnis sichert § 7 Nr. 2 die Trennung von Langzeitkonten (Wertguthaben), Gleitzeitkonten und Flexikonten (Arbeitszeitguthaben).
Rz. 27
Das Ziel von Gleitzeitvereinbarungen ist es, dem Beschäftigten die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu geben. Durch die vorgegebene Regelarbeitszeit, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden muss, kommt es insgesamt zu keiner Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit, sondern nur zu einer Flexibilisierung ihrer Lage. Gleitzeitkonten erfassen, abhängig von den betrieblichen Gegebenheiten, regelmäßig eher kurze Zeiträume etwa von einer Woche, einem Monat oder einem Quartal (hierzu Klemm, NZA 2006 S. 946, 947; Rolfs/Witschen, NZS 2009 S. 295, 296). Immer dann, wenn Vereinbarungen die flexible Gestaltung der täglichen Arbeitszeit unter Verstetigung z. B. des monatlichen Entgelts vorsehen, wird das entscheidende Ziel verfehlt, nämlich die Freistellung von der Arbeitsleistung, sodass ein Wertguthaben nicht vorliegt (Seewald, in: KassKomm. SGB IV, § 7b Rz. 7, unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/10289 S. 14). Ähnlich verhält es sich mit Vereinbarungen, die den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszyklen verfolgen, welche ebenfalls nicht als Wertguthabenvereinbarungen nach § 7b Nr. 2 gelten. Für solche Arbeitszeitmodelle wird der Begriff "Flexi-Konten" verwendet (vgl. BT-Drs. 16/10289 S. 14).
Rz. 28
Eine Vereinbarung mit dem Ziel der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit sehen viele Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder auch individuell gestaltete Arbeitsverträge vor. Immer dann, wenn Vereinbarungen die flexible Gestaltung der werktäglichen Arbeitszeit unter Verfestigung z. B. des monatlichen Entgelts vorsehen, fehlt es schon nach dem Wortlaut an den Voraussetzungen eines Wertguthabens. Dies hat zur Folge, dass die strengen Anforderungen insbesondere des Insolvenzschutzes für diese Vereinbarung nicht gelten. Sie können allenfalls freiwillig und zusätzlich vereinbart werden, wie dies einige Tarifverträge vorsehen. Dies gilt auch, wenn bei verfestigtem Entgelt das i. d. R. längerfristige Ziel des Ausgleichs betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgt wird. In der Praxis wird sich diese gesetzliche Abgrenzung des Geltungsbereichs somit vor allem auf Kurzzeit- und Gleitzeitkonten auswirken, da diese zukünftig nicht (mehr) als Wertguthaben behandelt werden können und eine bisher praktizierte Ausdehnung des Wertguthabenbegriffs zurückgeführt werden muss.
Rz. 29
Das Negativkriterium "Ziel" muss nicht ausdrücklich erwähnt werden. Es reicht aus, wenn eine Gesamtschau ergibt, dass die Vereinbarung ungeachtet ihrer Formulierung auf eine flexible Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen ausgerichtet ist. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn die werktägliche oder wöchentliche Arbeitszeit zwar flexibler gestaltet wird bzw. betriebliche Produktions- und Arbeitszeitzyklen ausgeglichen werden, dies sich indessen nur als Begleiterscheinung der Vereinbarung (Reflex) darstellt. Eine Zielbestimmung setzt immer ein final ausgerichtetes Wollen voraus. Entscheidend ist, dass die Freistellung das Primärziel der Vereinbarung bildet (Rolfs/Witschen, NZS 2009 S. 295, 296).
Rz. 30
Bei Arbeitszeitvereinbarungen (z. B. Gleitzeitvereinbarungen) ist typisches Regelungsziel nicht, wie für Wertguthaben gefordert, die vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung. In den meisten Fällen ist Ziel die Flexibilisierung von Beginn und Ende der vertraglich geschuldeten werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit. Solche Vereinbarungen eröffnen vielfach zusätzlich die Möglichkeit, von der angesparten Arbeitszeit eine meist begrenzte Anzahl von Arbeitstagen als Freizeitausgleich zu nutzen. Hierbei ist die Freistellung nicht primäres Vereinbarungsziel und setzt vor allem i. d. R. ein positives Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto voraus. Vergleichbares gilt für sog. Flexi-Konten oder andere Formen der tarifvertraglich geregelten Arbeitszeitflexibilisierung. Charakteristisch für diese Konten ist, dass im Unterschied zu Wertguthaben i. d. R. keine Auszahlung als Arbeitsentgelt erfolgt. Üblicherweise wird dabei ein Ausgleich im Zeitkonto vorgenommen. Nur ausnahmsweise erfolgt eine Auszahl...