0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.7.1977 in Kraft getreten (BGBl. I S. 3845). Abs. 2 und 3 sind durch das SGB-Verwaltungsverfahrensgesetz v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1468) mit Wirkung zum 1.1.1981 angefügt worden. Abs. 1 Satz 2 wurde durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2330) mit Wirkung zum 1.1.1989 neu gefasst.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift regelt, welche Aufgaben den Versicherungsämtern zukommen.
2 Rechtspraxis
2.1 Auskunftspflicht
Rz. 2
Eine wichtige Aufgabe der Versicherungsämter besteht in der Erteilung von Auskünften in Angelegenheiten der Sozialversicherung, also der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Unfallversicherung und der Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte. Die Auskunftspflicht der nach Landesrecht zuständigen Stellen und der Krankenversicherungsträger (§ 15 Abs. 1 SGB I) bleibt unberührt.
Der Unterschied der Auskunftspflicht der Versicherungsämter zu derjenigen der in § 15 Abs. 1 SGB I genannten Auskunftsstellen besteht darin, dass die Versicherungsämter lediglich zu Auskünften auf dem Gebiet der Sozialversicherung verpflichtet sind, während die Krankenversicherungsträger und die nach Landesrecht zuständigen Stellen – wenn auch mit der Einschränkung nach § 15 Abs. 2 SGB I – über alle sozialen Angelegenheiten nach dem Sozialgesetzbuch Auskünfte zu erteilen haben.
Bei der Formulierung der Fragen muss das Versicherungsamt ggf. behilflich sein.
2.2 Umfang der Auskunft
Rz. 3
Über den Umfang der von den Versicherungsämtern zu erteilenden Auskünfte sagt § 93 nichts. Insoweit gilt § 15 Abs. 2 SGB I entsprechend. Das bedeutet, dass die Auskunftspflicht zumindest die Benennung des für die in Betracht gezogene Leistung zuständigen Versicherungsträgers mit Namen und Anschrift umfasst. Soweit der Auskunftsuchende allerdings die Beantwortung von Sach- und Rechtsfragen begehrt, gilt die Einschränkung, dass das Versicherungsamt hierzu imstande sein muss.
Abgesehen von dieser Einschränkung müssen die Auskünfte vollständig und richtig sein. Das bedeutet gleichzeitig, dass sich an eine unrichtige bzw. unvollständige Auskunft vergleichbare Rechtsfolgen wie bei einem Verstoß gegen § 15 SGB I anschließen. Deshalb ist die Auskunftspflicht auch eingeschränkt. Es würde eine Überforderung des Personals der Versicherungsämter bedeuten, wenn man von ihm verlangen wollte, in allen Fragen des Sozialversicherungsrechts einschließlich seiner Spezialgebiete (z. B. Knappschaftsrecht, Alterssicherung der Landwirte, Künstlersozialversicherung) zuverlässig Auskunft geben zu sollen.
Zu unterscheiden von der Auskunft ist der weitergehende Begriff der Beratung. Beratung ist die individuelle Aufklärung nach den Besonderheiten des Einzelfalls. Sie obliegt allein den zuständigen Leistungsträgern (vgl. § 14 SGB I).
Der Auskunftsuchende sollte sich in einer Sozialversicherungsangelegenheit zweckmäßigerweise zunächst an ein Versicherungsamt wenden, das ihm den zuständigen Sozialversicherungsträger zu benennen hat, und sich alsdann beim Versicherungsträger individuell beraten lassen.
2.3 Auskunftsberechtigter
Rz. 4
Um die Auskunft muss nachgesucht werden. Von Amts wegen werden Auskünfte nicht erteilt. Berechtigt, Auskunft zu verlangen, ist jede natürliche oder juristische Person (letztere z. B. im Hinblick auf Arbeitgeberpflichten), die ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung hat. Die Sach- und Rechtsfragen müssen "für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können" (§ 15 Abs. 2 SGB I). Er hat insofern sein berechtigtes Interesse glaubhaft zu machen. Die Auskunft kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Sie ist kein Verwaltungsakt, weil sie keinen Regelungsinhalt hat (vgl. Definition des Verwaltungsakts in § 31 SGB X). Sie ist dem sog. schlichten Verwaltungshandeln zuzuordnen. Der Anspruch auf Auskunft kann mittels einer Leistungsklage durchgesetzt werden. Zuständig sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit.
2.4 Sonstige Aufgaben der Versicherungsämter
Rz. 5
In einigen Bundesländern haben die Versicherungsämter aufsichtsbehördliche Befugnisse (vgl. § 90). Nach Abs. 1 Satz 2 stehen den Landesregierungen Übertragungsrechte zu. So können insbesondere Aufgaben auf die Gemeindebehörden übertragen werden. Dazu bedarf es aber einer Rechtsverordnung.
2.5 Entgegennahme von Leistungsanträgen
Rz. 6
Nach Abs. 2 Satz 1 haben die Versicherungsämter alle Leistungsanträge entgegenzunehmen. Unter Leistungsanträgen sind alle Anträge auf Dienst- und Geldleistungen (§ 11 SGB I) zu verstehen. Die Antragstellung beim zuständigen Versicherungsträger ist daneben möglich. Soweit ein Leistungsantrag lediglich ein Verfahrenserfordernis ist, reicht die Entgegennahme des Antrags seitens des Versicherungsamts aus, um das Verfahren in Gang zu setzen. Die Entgegennahme durch das Versicherungsamt reicht aber nicht aus, wenn der Eingang des Antrags beim zuständigen Versicherungsträger Leistungsvoraussetzung ist (vgl. für den Fall der Verzinsung, § 44 Abs. 2 SGB I).
Keine Verpflichtung zur Entgegennahme von Anträgen besteht für die Bereiche der Arbeitsförderung (§ 1 Abs. 1 Satz 2), der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II und der Sozialhilfe nach dem SGB XII, da ...