0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das Rentenreformgesetz v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Das Rentenreformgesetz 1999 v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) sah die Streichung der Worte "Berufsunfähige oder Erwerbs unfähige" zum 1.1.2000 vor. Durch das Korrekturgesetz v. 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) ist der Termin um ein Jahr verschoben worden. Letztlich vollzogen wurde diese Änderung jedoch durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827). Mit Wirkung zum 1.7.2001 erfolgte eine redaktionelle Änderung durch das SGB IX. Das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts v. 15.12.2004 (BGBl. I S. 3396) nahm mit Wirkung zum 1.1.2005 eine Ergänzung in Abs. 2 um "Lebenspartner" vor.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift hat die frühere Regelung in § 1277 Abs. 2 und 3 RVO, § 54 AVG abgelöst. Eine Änderung zum früheren Recht ist insoweit eingetreten, als die versagte Rente nicht mehr an alle Angehörigen, die der Rentenberechtigte überwiegend unterhalten hat, gezahlt werden kann, sondern nur an unterhaltsberechtigte Ehegatten, Lebenspartner und Kinder. Im SGB VI gilt der Grundsatz, dass Renten, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung voraussetzen, unabhängig vom Anlass dieser Beeinträchtigung geleistet werden. Davon macht § 104 (wie §§ 102 und 105) eine Ausnahme, da es bei den in Abs. 1 geschilderten Voraussetzungen mit dem geltenden Solidaritätsprinzip unvereinbar wäre, eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewähren. Eine vergleichbare Regelung für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung enthält § 101 SGB VII, für den Bereich der Alterssicherung für Landwirte gilt § 31 ALG. Das Krankenversicherungsrecht kennt eine vergleichbare Sanktion in § 52 SGB V.
2 Rechtspraxis
2.1 Versagung der Rente
Rz. 2
Zu den Renten aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zählen u. a. die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43 und 240), Renten für Bergleute (§ 45), die Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37) und die großen Witwen- bzw. Witwerrenten, die wegen Erwerbsminderung gezahlt werden (§ 46 Abs. 2, § 243 Abs. 2 und 3).Eine entsprechende Anwendung auf andere Rentenarten scheidet wegen des Sanktionscharakters aus.
Rz. 3
Im Unterschied zu § 103 stellt die Regelung in § 104 keinen Ausschlussgrund, sondern nur einen Versagungsgrund dar, bei dem dem Rentenversicherungsträger ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Versagung der Rente in vollem Umfang oder lediglich eine teilweise Versagung erfolgen soll. Die Ermessensausübung hat sich auf alle Umstände des Einzelfalls zu erstrecken, wobei insbesondere der Tathergang und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten mit den Interessen der Solidargemeinschaft in Relation zu stellen sind. Die gemäß § 35 SGB X erforderliche Begründung ist wegen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen besonders wichtig. Das Sozialgericht prüft neben den tatbestandlichen Voraussetzungen lediglich, ob Ermessen ausgeübt worden ist und ob Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensmissbrauch) vorliegen.
Rz. 3a
Bei einer vollständigen Versagung der Rente liegt ein Rentenanspruch dem Grunde nach nicht vor, so dass z. B. auch eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner ausscheidet. Wird die Rente nur teilweise versagt, ist der Rentenanspruch dem Grunde nach anerkannt. In diesem Fall kann z. B. eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner entstehen. Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger werden selbst bei einer vollständigen Versagung nicht berührt (Kater, in: KassKomm, SGB VI, § 104 Rz. 6 m. w. N.).
2.2 Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen
Rz. 4
Die Begriffe Verbrechen und vorsätzliches Vergehen sind in § 12 StGB definiert. Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die mindestens mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind; Vergehen sind rechtswidrige Taten, die mindestens mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind (§ 12 Abs. 1 und 2 StGB). Unerheblich sind hierbei Verschärfungen oder Milderungen, die für besonders schwere oder minderschwere Fälle vorgesehen sind (§ 12 Abs. 3 StGB). Hinsichtlich der Begehung der Straftat ist immer Vorsatz erforderlich. Es reicht jedoch jede Art von Vorsatz aus. Neben dem direkten Vorsatz, d. h. die Straftat ist mit Wissen und Wollen verübt worden, genügt auch der bedingte Vorsatz, d. h. der Erfolg der Straftat ist billigend in Kauf genommen worden. Soweit die Straftat ein Verbrechen ist, reicht auch eine fahrlässige Begehung aus. Das ergibt sich aus der Differenzierung in Satz 1 am Ende. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherte als Täter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt war. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen strafbarer Handlung und gesundheitlicher Beeinträchtigung bestehen; es reicht hingegen nicht aus, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung lediglich bei Gelegenheit der strafbaren Handlung eintritt (BSGE 25, 161). D...