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Die neurologische Rehabilitation umfasst Verfahren zur möglichst vollständigen "Wiedererlangung" von Funktionen und Fähigkeiten eines Patienten, die im Rahmen schwerer Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Blutungen, Querschnittlähmung, entzündliche Erkrankungen) eingebüßt wurden.
Die Abgrenzung der unterschiedlichen Verfahren erfolgt i. d. R. über ein ärztliches Assessment, in dem der kurativmedizinische, pflegerische und rehabilitative Aufwand festgestellt wird. Hier werden die Patienten in Phasen eingeteilt, die den Zustand und den zunächst anstehenden Rehabilitationsbedarf des Patienten beschreiben. Grundlage hierfür sind die unter Mitwirkung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) entwickelten "Empfehlungen der BAR zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C" (vgl. www.BAR-frankfurt.de). Die einzelnen in Buchstaben aufgeführten Phasen haben dabei folgende Bedeutung:
- "A" für Akutbehandlungsphase (Intensivstation)
"B" für Frührehabilitation
Hier müssen intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten noch vorgehalten werden. Ziel ist insbesondere die Kontaktaufnahme mit der Umwelt sowie die Förderung basaler, sensorischer und motorischer Funktionen.
Obwohl die eigentliche Rehabilitationsfähigkeit frühestens mit der späten Phase "C" beginnt, bieten einige wenige Spezial-Rehabilitationskliniken bereits ab Phase "B" Rehabilitationsleistungen an. Bei den Patienten erfolgt dann eine Verlegung vom Akutkrankenhaus in die Rehabilitationseinrichtung in einer sehr frühen Phase. In der Rehabilitationseinrichtung erhält der Betroffene neben den im Krankenhaus üblichen Leistungen schon intensiv rehabilitationsvorbereitende und -unterstützende Leistungen (Frührehabilitation).
Begründet wird die frühzeitige Einleitung von neurologischen Rehabilitationsleistungen mit der Erhöhung der Rehabilitationschancen und der Beschleunigung des Rehabilitationsprozesses. Diese "Rehabilitation der ersten Stunde" erhöht wegen der frühzeitigen gezielten Aktivierungs- und Mobilisierungsarbeit die Chance der Wiedereingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft.
"C" für weiterführende Rehabilitation
In dieser Phase können die Patienten bereits in der Therapie mitarbeiten, müssen aber noch kurativmedizinisch und mit hohem pflegerischen Aufwand betreut werden. Patienten müssen in dieser Phase zumindest sitzmobilisiert sein und keiner intensivmedizinischen Überwachung mehr bedürfen. Ziel ist insbesondere die Erzielung der Selbstständigkeit bei den basalen Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. Körperpflege, Anziehen, Nahrungsaufnahme).
"D" für medizinische Rehabilitation
Bei dieser Phase handelt es sich um die Rehabilitation im eigentlichen Sinne. Die Phase ist für Patienten vorgesehen, die zumindest bei Benutzung von Hilfsmitteln bereits wieder bei den basalen Verrichtungen des täglichen Lebens selbstständig geworden sind. Ziel ist das Erreichen von Alltagskompetenz in solchem Maße, dass eine weitgehend selbstständige Lebensführung bzw. die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich wird.
"E" für schulische oder berufliche Rehabilitation bzw. nachgehende Rehabilitation wie soziale und häusliche Wiedereingliederung
Bezüglich dieser Phase wird u. a. auf die "Empfehlungen der BAR zur Phase E der neurologischen Rehabilitation" (https://www.bar-frankfurt.de/service/publikationen/reha-vereinbarungen.html) verwiesen.
- "F" für Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der dauerhaft unterstützende, betreuende und/oder zustandserhaltende Leistungen erforderlich sind.
Man unterscheidet in der Praxis vor allem einerseits die Frührehabilitation mit den Phasen B und C (Zuständigkeit der Krankenkassen, weil nicht die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, sondern die Wiederherstellung der Basis-Funktionen im Vordergrund steht) und andererseits die Anschlussrehabilitation als Phase D (spätestens ab dieser Phase sind gemäß § 40 Abs. 4 SGB V die Leistungen der Rentenversicherungsträger vor denen der Krankenkassen vorrangig, sofern die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 9 bis 11 und keine Ausschlussgründe nach § 12 vorliegen).
Ein 22-jähriger Auszubildender zieht sich bei einem schweren Motorradunfall mehrere Knochenbrüche und schwerste Kopf- und Wirbelverletzungen zu. Er befindet sich zur stationären Behandlung in der Uni-Klinik (Phase "A") und ist ab dem 6. Halswirbel gelähmt. Nach einem Monat stabilisiert sich sein Zustand und er wird von der Intensivstation auf die normale Station der Uni-Klinik verlegt. Nach 14 Tagen sind die Ärzte der Uni-Klinik der Meinung, dass die im Krankenhaus während der gesamten Zeit durchgeführte Frühmobilisation (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V) gut gewirkt und einer Versteifung der bisher nicht aktiv bewegten Gelenke vorgebeugt hat. Zur Erhöhung der Rehabilitationschancen und der Beschleunigung des Rehabilitationsprozesses soll neben der intensiven weiteren ärztlichen Betreuung frühzeitig eine neurologisc...