1.1 Inhalt der Regelung
Rz. 2
Die Regelung bestimmt den Personenkreis der versicherungspflichtigen Selbstständigen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, besonders schutzbedürftige Selbstständige in den anspruchsberechtigten Kreis der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen, weil die Betroffenen weitgehend ohne eigenes Betriebsvermögen und unter Einsatz ihrer eigenen Fertigkeiten und Befähigungen arbeiten (vgl. grundlegend zur besonderen Schutzbedürftigkeit auch BSG, Urteil v. 12.10.2000, B 12 RA 2/99 R; BSG, Urteil v. 23.7.2015, B 5 RE 17/14 R, hier zur Versicherungspflicht selbstständig tätiger Logopäden). Damit hat das RRG 1992 dem Schutzbedürfnis dieser Personen insoweit Rechnung getragen, als von der Rentenversicherungspflicht nur diejenigen erfasst werden, die als Selbstständige aufgrund der Betriebsgröße den Schutz der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung benötigen. Um das Ziel zu erreichen, wird der Grundsatz durchbrochen, dass nach § 1 Satz 1 Nr. 1 die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Ausübung einer weisungsabhängigen Beschäftigung begründet wird (zur Abgrenzung zwischen Weisungsabhängigkeit und Selbstständigkeit vgl. Komm. zu § 1 – Beschäftigungsverhältnis). Soweit das entsprechende Tatbestandsmerkmal in § 2 Satz 1 erfüllt ist, tritt die Versicherungspflicht unabhängig von dem konkreten Schutzbedürfnis des Einzelnen ein (BSG, Urteil v. 30.1.1997, 12 RK 31/96). Durch die Erweiterung des Kreises der versicherungspflichtigen Selbstständigen um die arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen (Nr. 9) wollte der Gesetzgeber der zunehmenden Erosion des versicherten Personenkreises entgegenwirken. Diese Personengruppe erschien ihm nicht weniger schutzwürdig als die in Nr. 1 bis 7 genannten Selbstständigen (BT-Drs. 14/45 S. 20). Ein weiterer neuer Pflichtversicherungstatbestand ist in der Zeit vom 1.1.2003 bis zum 31.3.2012 mit der Nr. 10 angefügt worden. Die im Anschluss an eine Arbeitslosigkeit selbstständigen Personen, die einen Existenzgründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit erhalten, benötigten nach Ansicht des Gesetzgebers ebenfalls den besonderen Schutz der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung, soweit nicht dadurch Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte eintritt.
Rz. 3
§ 2 enthält eine abschließende Aufzählung der Versicherungspflicht kraft Gesetzes. Soweit Selbstständige von der Rentenversicherungspflicht nicht erfasst werden, besteht aber noch die Möglichkeit, auf Antrag gemäß § 4 pflichtversichert zu werden. Bei Bestehen der Versicherungspflicht kann ggf. eine Befreiung gemäß § 6 in Betracht kommen. Dabei kommt dem Befreiungstatbestand nach § 6 Abs. 1a für die Personengruppe des § 2 Satz 1 Nr. 9 – also die Selbstständigen, die regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und nur für einen Auftraggeber tätig sind – besondere Bedeutung zu. § 6 Abs. 1a sieht eine Befreiung für die ersten 3 Jahre nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit vor. Übergangsrechtliche Bestimmungen enthalten bzw. enthielten §§ 229, 229a, 230, 231 und 231a. Insbesondere § 231 enthält dabei weitere übergangsrechtliche Befreiungstatbestände.
Rz. 4
Das Merkmal der selbstständigen Tätigkeit ist dem in § 2 aufgezählten Personenkreis gemeinsam (zum Begriff vgl. weitergehend auch GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand 7.12.2023, Anm. 3.2). Die in § 2 genannten Personen(-kreise) sind zwar dadurch gekennzeichnet, dass sie jeweils einer bestimmten Berufsgruppe angehören. Für den Eintritt der Versicherungspflicht genügt aber nicht allein die Zugehörigkeit zu einer solchen Berufsgruppe, entscheidend ist vielmehr, dass eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt wird. Dabei wird der Begriff der Selbstständigkeit weder im SGB VI noch in den Vorschriften des SGB IV gesetzlich definiert. Die Beurteilung der Frage, ob jemand selbstständig tätig ist, erfolgt dabei im Rahmen einer Negativdefinition anhand des Maßstabs des § 7 Abs. 1 SGB IV, der die Definition der Beschäftigung enthält und diese als die nicht selbstständige Arbeit definiert. Der Gesetzgeber hat dabei in § 7 Abs. 1 SGB IV bewusst keinen tatbestandlich scharf konturierten Begriff verwandt, sondern sich der Rechtsfigur eines Typus bedient, mit dem er den versicherten Personenkreis vom Normalfall her beschreibt. Damit ist es möglich, dass die Vorschriften über die Versicherungspflicht auch bei sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen ihrem Regelungszweck entsprechend angewandt werden können. Die mit dieser gesetzlichen Regelungsart zwangsläufig verbundene Rechtsunsicherheit ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96). Selbstständig tätig sind alle Personen, die mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. auch GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand 7.12.2023, Anm. 3.1.3) in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene Gefahr und Rechnung tätig sind (BSG, Urteil v. 25.2.1997, 12 RK 33/96), wobei eigene betriebliche Einrichtungen zwar indiziellen Charakter haben...