Rz. 4
Voraussetzung für die Anwendung des § 243a Satz 1 ist, dass sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht bestimmt, das im Beitrittsgebiet anzuwenden war und keine Entsprechung in den alten Bundesländern gefunden hatte. Dies ist der Fall, wenn im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des versicherten geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsrecht maßgebend war, das für das Beitrittsgebiet spezifisch gewesen ist. Hierbei ist zu beachten, dass im Beitrittsgebiet bis zum 28.11.1955 (in Berlin (Ost) bis zum 7.12.1955) ebenso wie in den alten Bundesländern das Unterhaltsrecht des Ehegesetzes (1946) maßgebend war. Erst ab 29.11.1955 (in Berlin (Ost) ab 8.12.1955) galt in der ehemaligen DDR ein spezifisches Unterhaltsrecht, und zwar in der Zeit vom 29.11.1955/8.12.1955 bis zum 31.3.1966 nach der Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung (EheVO) v. 24.11.1955 und ab 1.4.1966 aufgrund des Familiengesetzbuches (FGB). Gemäß Art. 234 § 5 EGBGB gilt das spezielle Unterhaltsrecht des Beitrittsgebiets auch über den 2.10.1990 hinaus, wenn die Ehe vor dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet geschieden worden ist.
Rz. 5
War für einen möglichen Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten das seit dem 29.11.1955/8.12.1955 im Beitrittsgebiet anzuwendende spezielle Unterhaltsrecht maßgebend, kann nach der Ausschlussregelung des § 243a Satz 1 ein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente an den vor dem 1.7.1977 geschiedenen Ehegatten gemäß § 243 nicht entstehen. Ob das besondere Unterhaltsrecht der ehemaligen DDR für die geschiedenen Ehegatten anzuwenden war, ist grundsätzlich vom letzten gemeinsamen Personalstatut (= Statut des letzten gemeinsamen Aufenthalts beider geschiedenen Ehegatten) abhängig.
Rz. 6
15.12.1970 |
Ehescheidung in der ehemaligen DDR (Magdeburg) |
19.12.1980 |
Zuzug der geschiedenen unterhaltsbedürftigen Ehefrau in die alten Bundesländer |
10.11.2015 |
Tod des versicherten Ehemannes in Magdeburg; dieser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt ununterbrochen im Beitrittsgebiet |
Lösung:
Für die geschiedenen Ehegatten war bis zum 18.12.1980 (Zuzug der geschiedenen Ehefrau in die alten Bundesländer = 19.12.1980) das Unterhaltsrecht der ehemaligen DDR nach dem ab 1.4.1966 anzuwendenden Familiengesetzbuch maßgebend. Nach dem 18.12.1980 ist kein neues gemeinsames Personalstatut begründet worden, da der Versicherte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet beibehalten hatte. Selbst nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zum Bundesgebiet verblieb es für jeden geschiedenen Ehegatten bei dem bisher maßgebenden Personalstatut (Art. 234 § 5 EGBGB). Im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten bildete somit das Unterhaltsrecht nach den Vorschriften des im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 1.4.1966 bis zum 2.10.1990 anzuwendenden Familiengesetzbuchs die Grundlage für einen möglichen Unterhaltsanspruch. Ein Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente gemäß § 243 ist somit aufgrund von § 243a Satz 1 ausgeschlossen. Bei Erziehung eines Kindes oder Sorge für ein behindertes Kind durch die geschiedene Ehefrau nach dem Tod ihres geschiedenen Ehemannes könnte jedoch trotz der vor dem 1.7.1977 liegenden Ehescheidung ein Anspruch auf Erziehungsrente bestehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 vorliegen (§ 243a Satz 2).
Rz. 7
Abweichend vom letzten gemeinsamen Personalstatut gilt für den nachehelichen Unterhalt bei deutschen Staatsangehörigen das in den alten Bundesländern maßgebende Ehegesetz (1946), wenn der unterhaltspflichtige versicherte Ehegatte vor dem 3.10.1990 aus der ehemaligen DDR in die alten Bundesländer übergesiedelt ist und der letzte wirtschaftliche Dauerzustand nach dem 31.8.1986 liegt (BGH, Urteile v. 10.11.1993, NJW 1994 S. 382; v. 2.2.1994, FamRZ 1994 S. 562). Insoweit ist Art. 18 Abs. 5 EGBGB, der am 1.9.1986 in Kraft getreten ist, analog anzuwenden.
Rz. 8
Die in Satz 1 der Vorschrift enthaltene Ausschlussregelung für die Anwendung des § 243 kommt im Übrigen auch nicht zum Tragen, wenn ein Versicherter noch vor dem Inkrafttreten des speziellen Unterhaltsrechts des Beitrittsgebiets, also vor dem 29.11.1955, gestorben ist. In diesen Fällen richtet sich der Unterhaltsanspruch wie in den alten Bundesländern nach dem Ehegesetz (1946), mit der Folge, dass § 243 anzuwenden ist. Gleiches gilt, wenn für den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehegatten im Zeitpunkt des letzten gemeinsamen Personalstatuts noch das Ehegesetz (1946) maßgebend war (z. B. durch Vertrag oder gerichtliche Entscheidung; § 18 EheVO DDR).
Rz. 9
10.10.1949 |
Ehescheidung in der ehemaligen DDR |
5.3.1954 |
Zuzug der unterhaltsbedürftigen geschiedenen Ehefrau in die alten Bundesländer |
10.4.2016 |
Tod des versicherten Ehemannes; dieser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt ununterbrochen im Beitrittsgebiet |
Lösung:
Während des letzten gemeinsamen Personalstatuts im Jahre 1954 galt in der ehemaligen DDR noc...