2.2.1 Rentnerprivileg bis 31.8.2009
Rz. 11
Das zum 1.1.2009 abgeschaffte Rentnerprivileg besagte, dass eine bereits laufende Rente bei der ausgleichspflichtigen Person nach Durchführung des Versorgungsausgleichs erst dann gekürzt wird, wenn sich der versorgungsbedingte Abschlag als Zuschlag bei einer Rente der ausgleichsberechtigten Person auswirkt (Kador, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., Stand: 19.5.2022, § 101 Rz. 38). Es galt der Grundsatz, dass der Zahlbetrag der Rente so lange besitzgeschützt bleibt, bis auch die ausgleichsberechtigte Person Rente bezieht oder aus deren Versicherung eine Rente mit dem Bonus aus dem Versorgungsausgleich zu zahlen ist (GRA der DRV zu § 268a SGB VI, Stand: 23.12.2020, Abschn. 4). Rentnerprivileg bedeutet daher, die Rente ist in besitzgeschützter Höhe so lange weiterzuzahlen, bis sich der aus dem Versorgungsausgleich ergebende Zuschlag begünstigend für den Ausgleichsberechtigten, also ab künftiger Rentenzahlung, auswirkt (Näheres hierzu vgl. Komm. zu § 101). Bei Abs. 2 handelt es sich daher um einen dynamischen Zahlbetragsbesitzschutz (GRA der DRV zu § 268a SGB VI, Stand: 23.12.2020, Abschn. 2).
Rz. 12
Die bis zum 31.8.2009 geltenden Vertrauensschutztatbestände, die sich aus der Anwendung des § 101 Abs. 3 (i. d. F. bis 31.8.2009) ergeben haben, sollen für Übergangsfälle nach Abs. 2 weiterhin bestehen bleiben (vgl. auch GRA der DRV zu § 268a SGB VI, Stand: 23.12.2020, Historie).
Rz. 13
Abs. 2 dient dem Vertrauensschutz und stellt sicher, dass das bis 31.8.2009 in § 101 Abs. 3 geregelte Rentnerprivileg für Personen, die bereits vor dem 1.9.2009 (Inkrafttreten des VAStrRefG) Rente bezogen haben und deren Verfahren über den Versorgungsausgleich bis dahin eingeleitet wurde, weiter gilt (BR-Drs. 343/08 S. 240, BT-Drs. 16/10144 S. 102). § 268a Abs. 2 ermöglicht damit als Übergangsvorschrift die Anwendung des Rentenprivilegs auch dann, wenn zwar das neue Recht i. S. d. § 300 Abs. 1 bereits Geltung hat, jedoch vor dem 1.9.2009 das Verfahren über den Versorgungsausgleich bereits eingeleitet worden ist.
2.2.2 Voraussetzungen der Übergangvorschrift in Abs. 2
Rz. 14
Voraussetzungen für die Anwendung des Rentnerprivilegs aufgrund der Übergangsvorschrift nach Abs. 2 sind
- das Versorgungsausgleichsverfahren (Erst- oder Abänderungsverfahren) muss vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden sein (Abs. 2),
- die zu kürzende Rente muss vor dem 1.9.2009 begonnen haben (Abs. 2),
- die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich muss nach dem 31.8.2009 bei der Rente der ausgleichspflichtigen Person wirksam geworden sein, also nach dem Rentenbeginn liegen (§ 101 Abs. 3 a. F.),
- es darf keine Rente aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person gezahlt werden (§ 101 Abs. 3 a. F.).
Rz. 14a
Der Gesetzgeber hat eine möglichst rasche und konsequente Abschaffung des "Rentnerprivilegs" zum (Vermögens-)Schutz der Rentenversicherungsträger und zum Zweck der Anpassung an das neue Recht zum Versorgungsausgleich beabsichtigt; unter Berücksichtigung dieser Intention ist die Übergangsvorschrift des § 268a Abs. 2 eng auszulegen. Der Gesetzgeber wollte nicht generell das Vertrauen in eine bestimmte Rentenhöhe schützen, denn ausweislich des Gesetzeswortlauts von § 268a Abs. 2 sollte das Rentnerprivileg nur unter den dort genannten Voraussetzungen weiterhin gelten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 R 67/19, Rz. 31 f.).
2.2.2.1 Versorgungsausgleichsverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet
Rz. 15
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitpunktes der Einleitung des Versorgungsausgleichsverfahrens ist der Eingang des Scheidungsantrags oder des Antrags auf Durchführung bzw. Abänderung des Versorgungsausgleichs beim Familiengericht (zutreffend GRA der DRV zu § 268a SGB VI, Stand: 23.12.2020, Abschn. 4.1.1). Ist ein Abänderungsverfahren in Bezug auf den Versorgungsausgleich erst nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden, so findet das in § 101 Abs. 3 bis zum 31.8.2009 geltende sog. Rentnerprivileg keine Anwendung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 R 67/19). Wird nach dem 31.8.2009 ein Abänderungsverfahren eingeleitet und die Ausgangsentscheidung abgeändert, endet daher zwingend auch das "Rentnerprivileg" (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.3.2021, L 14 R 650/17, Rz. 39 f.).
Rz. 15a
In seiner jüngsten Entscheidung hat das BSG daher eine Anwendung des § 268a Abs. 2 verneint (BSG, Urteil v. 22.2.2024, B 5 R 12/22 R; mit Anm. in SozSich 2024, Nr. 4, 36 und Anm. in SGb 2024, 226). Der Kläger konnte sich auch nicht auf die Übergangsvorschrift in § 268a Abs. 2 stützen. Die Voraussetzung dafür, dass das "Rentnerprivileg" ausnahmsweise weiterhin anzuwenden ist, wenn vor dem 1.9.2009 "das Verfahren über den Versorgungsausgleich eingeleitet worden ist", ist nicht erfüllt. Der Kläger hat den Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs erst im Juni 2015 gestellt. Das Abänderungsverfahren stellt ein selbstständiges bzw. eigenständiges Verfahren (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 R 67/19, Rz. 26) über den Versorgungsausgleich dar. Für ein enges Verständnis der Übergangsvorschrift streitet auch ihr Sinn und Zweck unter B...