Rz. 53
Die Definition dieses Begriffs enthält Abs. 2 Satz 1; sie schafft indes kaum Klarheit. Durch die Rechtsprechung des BSG hat der Begriff der Berufsunfähigkeit eine (zum Teil) vom Wortlaut losgelöste, (auch) kasuistisch geprägte Ausgestaltung erfahren.
4.2.3.1 Bisheriger Beruf
Rz. 54
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, bildet die Bestimmung des bisherigen Berufs. Bisheriger Beruf ist grundsätzlich die vom Versicherten zuletzt nicht nur vorübergehend versicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung, der dieser mit der Absicht nachgegangen ist, sie bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze oder bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit auszuüben (BSG, Urteil v. 22.3.1988, 8/5a RKn 9/86, SozR 2200 § 1246 Nr. 158). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ hochwertigste ist, und zwar auch dann, wenn sie nur kurzfristig ausgeübt wurde; erforderlich ist aber, dass sie vollwertig verrichtet wurde (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 130 [4a RJ 53/84], 164 [5/5b RJ 78/87]). Es ist somit nicht notwendig, dass in dem bisherigen Beruf die Wartezeit erfüllt wurde (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 126 [11 RA 72/83], 155 [8/5a RKn 17/87]). Hat der Versicherte im Laufe seines Berufslebens verschiedene Tätigkeiten verrichtet, war aber die zuletzt ausgeübte nicht die qualitativ hochwertigste, so bestimmt sich der bisherige Beruf danach, welcher Beruf für das in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Arbeitsleben überwiegend bestimmend und charakteristisch gewesen ist (BSG, Urteil v. 27.4.1989, SozR § 1246 Nr. 165). Eine erhebliche Rolle spielt insoweit die Dauer der jeweiligen Berufsausübung, wenngleich das BSG betont, dass es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls ankomme (BSG, a. a. O. Nr. 165). Maßgeblich sind allein die Tätigkeiten, für die Pflichtbeiträge entrichtet sind; Beschäftigungszeiträume, für die freiwillige Beiträge entrichtet sind, bleiben außer Betracht. Ist eine Nachversicherung durchgeführt worden, so ist hinsichtlich der Feststellung des bisherigen Berufs auf die nachversicherte Tätigkeit abzustellen.
Rz. 55
Eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung bleibt bei der Feststellung des bisherigen Berufs grundsätzlich außer Betracht. Soweit der Versicherte allerdings in den Staaten der EU oder in einem der durch das EWR-Abkommen gleichgestellten Staat versicherungspflichtig gearbeitet hat, ist diese Tätigkeit zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 21.9.1988, 5/5b/1 RJ 114/83 = SozR § 1246 Nr. 159). Eine weitere Ausnahme gilt für Versicherte, auf die das Fremdrentengesetz (FRG) Anwendung findet; denn gemäß §§ 15, 16 FRG sind die im Herkunftsland zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten so zu berücksichtigen, als wären sie im Inland zurückgelegt.
Rz. 56
Eine Lösung vom Beruf liegt vor, wenn sich der Versicherte endgültig einer anderen (weniger qualifizierten) Berufstätigkeit zugewandt und sich damit abgefunden hat, den früheren Beruf nicht mehr auszuüben. Bisheriger Beruf im versicherungsrechtlichen Sinn ist dann die "neue" Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil v. 30.10.1985, 4a RJ 53/84, SozR § 1246 Nr. 130). Es muss sich aber in jedem Fall um eine dauerhafte, endgültige Aufgabe des früheren Berufs handeln. Dies ist bei einer von vornherein befristeten Beschäftigung nicht anzunehmen (BSG, a. a. O. Nr. 130). Die Gründe für die Aufgabe des früheren Berufs, z. B. betriebliche Erfordernisse, sind grundsätzlich ohne Belang (BSG, Urteil v. 22.3.1988, SozR 2200, § 1246 Nr. 158).
Rz. 57
Wenn aber die frühere Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde, weil der Versicherte den gestellten körperlichen, psychischen und geistig-mentalen Anforderungen der Berufstätigkeit nicht mehr gerecht zu werden wusste, liegt eine rentenrechtliche relevante Lösung von dem früheren Beruf nicht vor. Entsprechendes gilt, wenn nach einer zunächst nur als vorübergehend gewollten Abwendung von einer Berufstätigkeit die dann im Laufe der Zeit eintretende Aussichtslosigkeit zur Rückkehr auf gesundheitlicher Unfähigkeit beruht (BSG, a. a. O. Nr. 158).
Rz. 58
Soweit die vollwertige Ausübung eines Berufs schon bei seiner erstmaligen Aufnahme wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht möglich war oder nur auf Kosten der Gesundheit erfolgen konnte (eingebrachte Leiden), so stellt diese Tätigkeit nicht den bisherigen Beruf dar; eine Einbeziehung dieses Berufs verstieße gegen das Versicherungsprinzip (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 62 [1 RJ 62/79], [11 RA 72/83] 126). Zur Erwerbsminderung Behinderter vgl. Komm. zu § 44.
4.2.3.2 Krankheit oder Behinderung
Rz. 59
Die Unfähigkeit des Versicherten zur Ausübung seines bisherigen Berufs muss auf Krankheit oder Behinderung beruhen. Krankheit im rentenversicherungsrechtlichen Sinn meint einen regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand, der eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zur Folge hat. Eine Behinderung stellt ein solcher Zustand dar, der bereits zu einer (dauernden) funktionellen Einschränkung geführt hat. Die Abgrenzung zwis...