Rz. 11
Der Anspruch auf Waisenrente ist gemäß Abs. 4 Nr. 1 grundsätzlich befristet bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (Rz. 12); bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 4 Nr. 2 wird die Rente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt (Rz. 13 ff.).
2.4.1 Rentenzahlung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (Nr. 1)
Rz. 12
Abs. 4 Nr. 1 befristet den Anspruch der Waise bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres; das 18. Lebensjahr wird mit Ablauf des Tages, der dem 18. Geburtstag vorangeht, vollendet. Nach § 102 Abs. 4 ist die Zahlung der Rente auf das Ende des Kalendermonats der Vollendung des 18. Lebensjahres zu befristen, wobei die Befristung nicht bereits durch das Gesetz eintritt, sondern durch Verwaltungsakt umzusetzen ist. Ist die Waisenrente über den Monat der Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus weitergezahlt worden, obwohl die Voraussetzungen des Abs. 4 Nr. 2 nicht vorlagen, so ist der Bewilligungsbescheid nach Anhörung (§ 24 SGB X) nach Maßgabe des § 48 SGB X aufzuheben (BSG, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 2). Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres besteht der Rentenanspruch, ohne dass es auf die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes oder die Unterhaltspflicht des verstorbenen Versicherten oder gar tatsächliche Unterhaltsleistungen ankommt. Bei einem Rentenbezug bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres findet auch eine Anrechnung des Einkommens der Waise auf die Rente nicht statt (§ 97; vgl. Rz. 30 ff.).
2.4.2 Rentenzahlung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres (Nr. 2)
Rz. 13
Unter den Voraussetzungen des Abs. 4 Nr. 2 wird Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt. Bei den abschließend aufgezählten Gründen des Abs. 4 Nr. 2 geht das Gesetz davon aus, dass die Waise gehindert ist, ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten (BSG, Urteil v. 18.6.2003, B 4 RA 37/02 R).
2.4.2.1 Schul- und Berufsausbildung (Nr. 2 Buchst. a)
Rz. 14
Der Begriff der Schulausbildung ist im Gesetz nicht definiert. Die Rechtsprechung geht insoweit vom allgemeinen Sprachgebrauch aus, so dass unter dem Begriff der Schulausbildung der Besuch allgemeinbildender und weiterführender öffentlicher oder privater Schulen zu verstehen ist, wobei der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird (BSG, Urteil v. 23.8.1989, 10 RKg 8/86).
Rz. 15
Berufsausbildung ist die einem zukünftigen, gegen Entgelt auszuübenden Beruf dienende Ausbildung (BSG, SozR 2200 § 1267 Nr. 19). Dabei liegt eine Berufsausbildung i. S. v. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a nur vor, soweit für den gewählten Beruf notwendige (nicht nur nützliche, wünschenswerte oder förderliche) Kenntnisse und praktische Fertigkeiten von einer hierfür anerkannt qualifizierten Ausbildungsinstitution oder Ausbildungsperson nach Maßgabe eines qualifizierten Lehrplanes vermittelt werden (BSG, SozR 3-2600 § 48 Nr. 4). Zu den Ausbildungs- bzw. Übergangszeiten rechnet auch die Zeit der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz (vgl. z. B. Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 48 Rz. 48; Verbandskommentar, SGB VI, § 48 Rz. 13). Bleibt die Bewerbung erfolglos, endet diese Zeit mit der Bekanntgabe der Ablehnung (BSG, Urteil v. 17.4.2008, B 13/4 R 49/06 R).
Die Schul- und Berufsausbildung müssen nach dem mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1791) mit Wirkung zum 1.8.2004 eingefügten Abs. 4 Satz 2 – orientiert an der vorherigen ständigen Rechtsprechung (BSG, SozR 2200 § 1267 Nr. 9) – einen wöchentlichen Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden erfordern. In diesen Zeitaufwand sind die Zeiten des Besuchs der Schule bzw. Ausbildungsstätte, die notwendigen Zeiten der Zurücklegung der Hin- und Rückwege unter Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel sowie die Zeiten der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts bzw. der Ausbildung durch einen durchschnittlich befähigten Schüler bzw. Auszubildenden mit einzubeziehen (BSG, SozR 5870 § 2 BKGG Nr. 64 und 65).
Rz. 15a
Nach Abs. 4 Satz 3 besteht ein Schul- oder Berufsausbildungsverhältnis auch, wenn der Schüler bzw. Auszubildende wegen Krankheit die Ausbildung nicht oder nicht in dem zeitlichen Umfang von mehr als 20 Stunden wöchentlich wahrnehmen kann, soweit das Ausbildungsverhältnis trotz der Erkrankung fortbesteht und damit gerechnet werden kann, dass die Ausbildung fortgesetzt wird. Dies gilt auch für die Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz (Abs. 4 Satz 4). Macht die Erkrankung aufgrund ihrer Art und ihres Verlaufs eine Fortsetzung der Ausbildung unmöglich, ist sie als beendet anzusehen (BSG, Urteil v. 26.1.2000, B 13 RJ 53/99 R).
Rz. 15b
Angesichts der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes (Abs. 4 Satz 2), wonach eine Schulausbildung i. S. dieser Vorschrift nur vorliegt, wenn die "Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert", endet die Schulausbildung mit dem tatsächlichen Ende des Unterrichts (letzter Schultag), d. h. während des Schuljahres z. B. durch den Schulabbruch des Schülers oder seinen Verweis von der Schule oder am Ende eines Schuljahres oder der Schulausbildung insgesamt durch die Abschlussprüfung oder Aushändigung des Abschlusszeugnisses (BSG, Urteil v. 1.7.2010, B 1...