Rz. 2
Die Vorschrift bestimmt, dass ein Schadensersatzanspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht dadurch ausgeschlossen oder vermindert wird, dass für einen Geschädigten bei Berechnung seiner Rente rentenrechtliche Zeiten i. S. v. §§ 54 Abs. 1, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 252, 252a, 253a zu berücksichtigen sind.
Rz. 3
§ 62 korrespondiert mit den §§ 116 und 119 SGB X, die für den Bereich der Sozialversicherung und der Sozialhilfe sowohl Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige als auch den Übergang von Beitragsansprüchen auf den Versicherungsträger regeln. Die in §§ 116, 119 SGB X enthaltenen Schadensersatzregelungen sind mit Wirkung zum 1.7.1983 durch das Gesetz zur Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) als Drittes Kapitel des SGB X in Kraft getreten. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung (zuletzt BGH, Urteil v. 10.12.1991, VI ZR 29/91) war ein Schädiger nicht zur Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen verpflichtet, wenn der geschädigte Versicherte aufgrund seines bisherigen Versicherungsverlaufs bereits eine "unfallfeste Position" erreicht hatte. Hiervon war nach der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung auszugehen, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt der Schädigung bereits sowohl die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt hatte als auch die sog. Halbbelegung (bis zum 31.12.1991 = Voraussetzung für die Anerkennung von beitragsfreien Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung) nachweisen konnte. In diesen Fällen war nach der Rechtsauffassung des BGH kein "rentenrechtlich relevanter Schaden" entstanden, und zwar mit der Begründung, "der Versicherte sei nach Erreichen einer unfallfesten Position gegen Renteneinbußen weithin abgesichert".
Rz. 4
Für Schadensfälle ab 1.1.1992 mit Schadensersatzansprüchen gegen Dritte fingiert die Regelung des § 62 für geschädigte Versicherte nunmehr auch bei Vorliegen einer sog. unfallfesten Position einen rentenrechtlich relevanten Schaden. Dies gilt selbst dann, wenn ein schädigungsbedingter Beitragsausfall durch die Berücksichtigung von beitragsfreien Zeiten (§§ 54 Abs. 4, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 252, 252a, 253a) weitgehend kompensiert wird. Mit dem Ziel der Entlastung der Versichertengemeinschaft, die im Ergebnis mit ihren Beiträgen die dem Geschädigten anzuerkennenden beitragsfreien Zeiten finanziert, korrigiert § 62 insoweit mit Wirkung zum 1.1.1992 die bisherige Rechtsprechung des BGH, sodass Schadensersatzpflichtige nunmehr auch bei Vorliegen einer sog. unfallfesten Position Beiträge an den Rentenversicherungsträger zu zahlen haben. Wirksam gezahlte regressierte Beiträge i. S. v. § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X gelten nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB X als Pflichtbeiträge des geschädigten Versicherten und kommen diesem bzw. seinen Hinterbliebenen gemäß § 75 Abs. 1 und 2 bei Berechnung einer später beginnenden Versicherten- oder Hinterbliebenenrente zugute. Darüber hinaus besteht gemäß § 75 Abs. 4 bei Berechnung von Altersrenten ein Anspruch auf Ermittlung von Entgeltpunkten für regressierte Pflichtbeiträge i. S. v. § 119 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB X selbst dann, wenn die Beiträge nach dem Rentenbeginn aufgrund eines Schadensereignisses gezahlt worden sind, das sich vor dem Rentenbeginn ereignet hat.
Rz. 5
§ 62 ist gemäß § 300 Abs. 1 grundsätzlich nur auf Schadensfälle anzuwenden, die sich nach dem 31.12.1991 ereignet haben. Im Wege der Auslegung ist die Vorschrift allerdings auch für zeitlich nach dem 31.12.1991 anzurechnende rentenrechtliche Zeiten einschlägig, wenn der Schadensfall nach dem 30.6.1983 (Inkrafttreten des § 119 SGB X), aber vor dem 1.1.1992 eingetreten ist. Für vor dem 1.1.1992 zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten ist allerdings weiterhin die Rechtsprechung des BGH zur "unfallfesten Position" zu beachten, die einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Zahlung von regressierten Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ausschließt.
Rz. 6
Von § 62 werden Schadensersatzansprüche wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund der Haftungsnormen des BGB, des Straßenverkehrsgesetzes, des Luftfahrtgesetzes, des Atomgesetzes und des Haftpflichtgesetzes erfasst.