2.1 Entgeltpunkte für Zeiten nach Rentenbeginn – ein Überblick
Rz. 7
Entgeltpunkte sind für die nach Rentenbeginn liegende Zurechnungszeit (§§ 59, 253a) wie folgt zu ermitteln:
- bei Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2, § 240 vom Eintritt der Erwerbsminderung an,
- bei Renten wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 und bei Erziehungsrenten (§ 47) vom Rentenbeginn an und
- bei Hinterbliebenenrenten (§§ 46, 48) vom Todestag der/des Versicherten an.
2.2 Rentenzuschläge bei Altersrenten (Abs. 1)
Rz. 8
Abs. 1 enthält den Grundsatz über die Berücksichtigung von Entgeltpunkte nach Rentenbeginn einer Altersrente. Nach Beginn einer Altersrente werden Entgeltpunkte nur für eine Zurechnungszeit i. S. v. § 59 und für Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach § 76d ermittelt. Damit manifestiert der Gesetzgeber ein zentrales Leitmotiv des Rentenrechts. Ein bereits eingetretener Versicherungs- bzw. Leistungsfall kann nachträglich (grundsätzlich) nicht mehr versichert werden, sog. Versicherungsfallprinzip. Dieses Prinzip wird durch das Rentenbeginnprinzip ergänzt und modifiziert bzw. schafft Gestaltungsspielräume (vgl. unten Rz. 33 ff.). Das Rentenbeginnprinzip ist durch § 99 Abs. 1 geregelt. § 75 Abs. 1 stellt insoweit ausdrücklich auf den Beginn der zu berechnenden Rente ab. Es kommt also nicht auf die Entstehung des Stammrechts an (vgl. insoweit auch die Komm. zu §§ 71, 72 zum Merkmal des "belegungsfähigen Zeitraums"). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob durch Rentenantrag die Rente bewilligt bzw. begonnen wurde zu zahlen. Für die nach Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen bis zum Rentenbeginn zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten sind daher Entgeltpunkte zu ermitteln; diese Zeiten sind nicht vom Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1 erfasst (GRA der DRV zu § 75 SGB VI, Stand: 18.1.2023, Anm. 5).
Rz. 9
Die Vorschrift markiert damit den Rentenbeginn als grundsätzlichen Endzeitpunkt, bis zu dem im Rahmen der Rentenberechnung Entgeltpunkte ermittelt werden (Hess. LSG, Urteil v. 19.2.2013, L 2 R 200/12, Rz. 17). Nach § 75 Abs. 1 werden daher rentenrechtliche Zeiten nur bis zum Vormonat des Beginns der Altersrente in die Rentenberechnung eingestellt (vgl. auch BSG, Urteil v. 25.11.2008, B 5 RJ 15/04 R; wonach bei einer Rente wegen Alters der für die Grundbewertung maßgebliche belegungsfähige Gesamtzeitraum mit dem Kalendermonat vor Beginn der Rentenzahlung endet).
Rz. 10
Nach Abs. 1 werden seit dem 1.8.2004 (Rz. 1) Entgeltpunkte auch für Beiträge nach Beginn einer Alters-(teil-)rente (während des Vollrentenbezuges besteht Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 4 Nr. 1) berücksichtigt (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 8). Während nämlich bis dahin der Wechsel von Altersteilrente zur Vollrente zu einem neuen Rentenbeginn und damit zur Neubestimmung der persönlichen Entgeltpunkte (vgl. § 75) führte, kommt es seitdem nicht mehr zu einem neuen "Rentenfall", weil der Rentenbeginn beim Wechsel zwischen Voll- und Teilrente unverändert bleibt (vgl. Komm. zu § 66). Für die Berechnung der Zuschläge gilt § 76d. Sofern es sich um Beiträge für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung handelt, richtet sich die Zuschlagsberechnung nach § 76b.
Vgl. des Weiteren auch § 88 Abs. 3, der für Folgerenten gilt.
Rz. 11
§ 75 Abs. 1 bewirkt darüber hinaus auch, dass nach Verwirklichung des versicherten Risikos eine nachträgliche Versicherung nicht mehr möglich ist und infolgedessen die Höhe des Leistungsanspruchs grundsätzlich auch nicht mehr durch Beitragszahlungen nach Eintritt des Versicherungsfalls beeinflusst werden kann (LSG Hamburg, Urteil v. 5.9.2012, L 2 R 50/10).
2.3 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit – generelles Ermittlungsverbot (Abs. 2 Satz 1)
Rz. 12
Abs. 2 Satz 1 regelt in Ausnahme von Abs. 1 bei den Altersrenten ein generelles Ermittlungsverbot von Entgeltpunkten bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl. stellv.: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 1.9.2023, L 28 KR 432/21, Rz. 53). Bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bestimmt der Eintritt der Erwerbsminderung i. S. v. §§ 43, 45, 240 – also der Eintritt des Leistungsfalls – den Zeitpunkt, bis zu dem Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1) zu ermitteln sind. Danach liegende Zeiten – von der Zurechnungszeit abgesehen – können nicht berücksichtigt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 werden daher weder für
- Beitragszeiten (und Anrechnungszeiten) – Nr. 1 noch für
- freiwillige Beiträge – Nr. 2,
die nach Eintritt des Leistungsfalls liegen, Entgeltpunkte ermittelt.
Rz. 13
Erfasst werden von dem Ermittlungsverbot zunächst Beitragszeiten und Anrechnungszeiten nach Eintritt des Leistungsfalls. Über den Wortlaut hinaus werden nicht nur auf Beitragszeiten und Anrechnungszeiten, sondern alle rentenrechtlichen Zeiten (mit Ausnahme der Zurechnungszeit) erfasst; außerdem gilt dies auch für Zuschlagsentgeltpunkte aus geringfügiger Beschäftigung nach § 76b bzw. § 264b (mit Ausnahme der Zurechnungszeit) (GRA der DRV zu § 75 SGB VI, Stand: 18.1.2023, Anm. 3). Bei der Zuordnung der Beitragszahlung gilt das auch durch § 70 Abs. 1 Satz 1 festgeschriebene Für-Prinzip, das besagt: Maßgebend ist das Durchschnittsentgelt des Kalenderjahres, für das die Beit...