Rz. 10
§ 96a regelt (zunächst) die Kollision von Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen mit Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 45 und 240. Damit sind alle Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, d. h. sowohl die Renten aus eigener Versicherung als auch die Hinterbliebenenrenten – mit Ausnahme des Bezugs einer Altersrente ab Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 34 Abs. 2) – abhängig von einem gleichzeitig erzielten Hinzuverdienst. Darüber hinaus regelt die Bestimmung auch die Anrechnung bestimmter Lohnersatzleistungen auf die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und die besonderen Voraussetzungen hierfür. Die Invalidenrenten nach Art. 2 §§ 7 bis 10 RÜG werden von der Anrechnungsvorschrift des § 96a nicht erfasst.
Rz. 11
Die Grundstruktur der Anrechnung von neben der Rente erzieltem Verdienst auf die Rente ist bei den Altersrenten, die vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen werden (vgl. § 34 Abs. 2 und die Komm. dort), und der Rente wegen voller Erwerbsminderung weitgehend gleich: Die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze beträgt 6.300,00 EUR. Ein kalenderjährlicher Verdienst neben der Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von bis zu 6.300,00 EUR (einschließlich) ist i. d. R. rentenunschädlich (vgl. Rz. 14). Dabei ist der Bruttoverdienst in Ansatz zu bringen. Ist der Jahresverdienst höher als 6.300,00 EUR, so wird der diesen Betrag übersteigende Verdienst zu 40 % auf die Rente angerechnet und die Rente wird insoweit nicht geleistet. Damit wird die in der Vergangenheit geltende, unbefriedigende Teilrentengewährung (in Höhe von drei Vierten, der Hälfte oder einem Viertel der vollen Rente) durch eine stufenlose, auf den leichter zu bestimmenden Jahresverdienst abstellende Verdienstanrechnung ersetzt. Ist die Summe der gekürzten Rente und des erzielten Hinzuverdienstes höher als der höchste versicherungspflichtige (Jahres-) Verdienst des Rentners in den letzten 15 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung (Kalenderjahr mit den höchsten Entgeltpunkten der letzten 15 Kalenderjahre), wird der darüber liegende Verdienst voll auf die (gekürzte) Rente angerechnet (Hinzuverdienstdeckel). Durch diese Regelung soll – ebenso wie bei der Berücksichtigung des Verdienstes in den letzten 3 Jahren vor Rentenbeginn nach dem bis zum 30.6.2017 geltenden Recht – sichergestellt werden, dass durch Rente und Hinzuverdienst insgesamt keine höheren Einkünfte erzielt werden als vor der Rente. Durch den verlängerten Zeitraum von 15 Jahren wird der Erwerbsbiografie der Versicherten Rechnung getragen, die in den letzten 3 Jahren vor Rentenbeginn – auf die in der Vergangenheit abzustellen war – nur geringe Einkünfte hatten oder Sozialleistungen mit der Folge bezogen, dass sie neben der Rente nur wenig hinzuverdienen durften (vgl. Rolf, NZS 2017 S. 164). Die auf die unterschiedlichen Bezugsgrößen in den alten und neuen Bundesländern abstellende Berechnung der für die Teilrenten maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen ist damit entfallen.
Wird die Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 EUR überschritten, so dass Einkommen auf die Rente anzurechnen ist, ist die Rente (insoweit) nicht zu leisten. Anders als bei den Altersrenten, die vor Vollendung der Regelaltersgrenze gewährt werden, berührt bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Hinzuverdienst nicht den Rentenanspruch i. S. d. Rentenstammrechts, sondern allein den aus dem Rentenstammrecht erwachsenden monatlichen Rentenzahlungsanspruch. Ein Überschreiten der für die Rente wegen voller Erwerbsminderung maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 EUR führt damit nicht zu einem Wegfall des Rentenanspruchs, sondern die Rente gelangt bei Fortbestand des Rentenstammrechts wegen der durch den Hinzuverdienst begründeten "Übersicherung" lediglich nicht zur Auszahlung (vgl. BSG, Urteile v. 6.3.2003, B 4 RA 8/02 R, und v. 28.4.2004, B 5 RJ 60/03 R; vgl. auch BT-Drs. 13/3150 S. 42).
Der die jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen überschreitende Hinzuverdienst begründet einen von Amts wegen zu beachtenden Übersicherungseinwand, der nur zum Untergang des Zahlungsanspruchs führt (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 4 RA 35/02 R). Der Rentenanspruch bleibt dem Grunde nach weiterhin bestehen und die Rente ist bei einem die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen unterschreitenden Hinzuverdienst erneut zu zahlen.
Abweichend von diesen Grundsätzen berührt ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen bei den Altersrenten nach § 34 als negative Anspruchsvoraussetzung den Rentenanspruch an sich (vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 161; ebenso BSG, Urteil v. 4.5.1999, B 4 RA 55/98 R). Fällt z. B. bei einer Rente nach § 37 die Schwerbehinderteneigenschaft nach Rentenbeginn weg – was für den Anspruch auf (Weiter-)Zahlung der Rente ohne Bedeutung ist (vgl. die Komm. zu § 37) – und wird nachfolgend die Hinzuverdienstgrenze mit der Folge des Wegfalls des Rentenanspruchs überschritten, so ist die (erneute) Gewährung einer Rente nach § 37 nur bei erneuter Schwerbehinderung möglich.