0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat mit dem SGB X v. 18.8.1980 (BGBl. I S. 1469) ab 1981 in Kraft und wurde mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) neu bekannt gemacht. Abs. 1 ist mit dem Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat v. 23.3.2002 (BGBl. I S. 1130) mit Wirkung zum 27.3.2002 geändert worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift entspricht weitgehend § 21 VwVfG sowie § 83 AO und dient der Sicherung der Unparteilichkeit eines Verwaltungsverfahrens, wenn – über die Gründe des § 16 hinaus – eine unparteiische Amtsausübung durch die Behörde nicht mehr gewährleistet ist.
Abs. 1 Satz 3 enthält eine dem VwVfG nicht bekannte Regelung; sie trägt den Besonderheiten der sozialen Selbstverwaltung sowie der Bundesagentur für Arbeit Rechnung.
2 Rechtspraxis
2.1 Anwendungsbereich
Rz. 3
Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Neben den unwiderlegbaren Ausschlusstatbeständen des § 16 ist ein Behördenbediensteter (Amtsträger) vom Verwaltungsverfahren in zwei Fällen auszuschließen, wenn er
- selbst Zweifel an der unparteiischen Amtsführung hat oder
- dies von einem Beteiligten i. S. d. § 12 behauptet wird.
Den Anstoß zur verwaltungsinternen Überprüfung kann demzufolge der Amtsträger selbst aus eigener Initiative oder auch ein Verfahrensbeteiligter, der eine entsprechende Behauptung aufstellt, geben. Dabei handelt es sich im zweiten Fall lediglich um eine Anregung zur Prüfung von Amts wegen, nicht hingegen um ein förmliches Ablehnungsrecht der Beteiligten. Besorgnis der Befangenheit kommt nicht in Betracht, wenn der Bedienstete selbst oder ein Beteiligter lediglich das Gefühl einer parteiischen Amtsausübung hat. § 17 sieht kein förmliches Ablehnungsrecht eines Beteiligten vor; insoweit besteht ein Unterschied zu den Regelungen des Prozessrechts (vgl. § 42 ZPO; § 60 SGG; § 54 VwGO; § 51 FGO).
2.2 Befangenheitsgründe
Rz. 4
Die Besorgnis der Befangenheit erfordert einen vernünftigen Grund, der die Beteiligten aus ihrer Sicht befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch und allein sachbezogen entscheidet. Es kommt nicht darauf an, ob die für die Behörde tätige Person tatsächlich befangen ist oder sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Amtsträgers zu zweifeln (BVerfG, Beschluss v. 18.6.2003, 2 BvR 383/03, BVerfGE 108 S. 122). Solche Gründe können sein: persönliche Freundschaft oder Feindschaft des Amtsträgers zu einem Beteiligten, vorzeitige Festlegung in einer bestimmten Rechtsauffassung, persönliche Interessiertheit des Bediensteten am Verfahrensausgang, offensichtliche Voreingenommenheit, unsachliche Äußerungen zur Sach- oder Rechtslage, wirtschaftliches, berufliches oder persönliches Interesse des Amtsträgers am Ausgang des Verwaltungsverfahrens. Nur Tatsachen, nicht bloße Vermutungen, begründen die Besorgnis einer Befangenheit. Die Gründe zur besonderen Befangenheit können also sowohl in der Person desjenigen liegen, der tätig werden soll, als auch in der Art der Sachbehandlung, die erwartet wird.
Sowohl gegenüber dem Amtsinhaber wie auch gegenüber dem Behördenleiter können die Befangenheitsgründe formlos geltend gemacht werden.
Nicht ausreichend sind sachliche Meinungsäußerungen zu den Erfolgsaussichten eines Beteiligten, möglicherweise aber unangemessenes Drängen auf die Rücknahme eines Antrags. Nicht ausreichend sind auch wissenschaftliche Publikationen, die in Beziehung zum Gegenstand des Verwaltungsverfahrens stehen, die Mitgliedschaft eines Bediensteten in einer politischen Partei, Rassenzugehörigkeit, Geschlecht oder Konfession.
2.3 Entscheidung über die Befangenheit
Rz. 5
Der Bedienstete hat den Behördenleiter oder den von diesem Beauftragten selbst zu unterrichten, wenn ihm Gründe für eine Befangenheit bewusst werden bzw. wenn einer der Beteiligten i. S. d. § 12 solche Gründe während des Verwaltungsverfahrens (vgl. § 8) behauptet. Er muss dann die Entscheidung seines Behördenleiters bzw. des organisationsrechtlich Beauftragten abwarten und kann sich nicht selbst von der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren ausschließen. Wenn der Behördenleiter abwesend oder verhindert ist und kein Beauftragter vorhanden ist, hat sich der Bedienstete an den allgemeinen Vertreter des Behördenleiters zu wenden. Die Unterrichtungspflicht besteht schon vor dem Tätigwerden, wenn die Besorgnis der Befangenheit vor Aufnahme der Verwaltungstätigkeit angenommen oder behauptet wird. Unterlässt der Amtsträger die Unterrichtung des Behördenleiters, so ist dies nicht mit einem subjektiven Ablehnungsrecht des die Besorgnis der Befangenheit Äußernden verbunden; hieraus kann allenfalls die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wegen § 42 folgen (BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 13/09 R, BSGE 104 S. 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr. 11).
Im Gegensatz zu den Ausschlussgründen des § 16 bewirkt die begründete Besorgnis der Befangenheit nicht automatisch den Ausschluss des betreffende...