Rz. 10
Die Frage der Heilung bei einem fehlenden Antrag kann sich nur dann stellen, wenn ein Antrag überhaupt erst Voraussetzung für den Erlass des konkreten VA ist (§ 18 Nr. 2). Daran fehlt es in allen Fällen, in denen die Behörde von Amts wegen tätig werden kann (z. B. Anforderung von Beiträgen) oder werden muss (z. B. in der Unfallversicherung auch für die Leistungsgewährung, § 19 Satz 2 SGB IV).
Rz. 11
Die Regelung lässt offen, ob damit nur der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag oder auch der materiell-rechtlich notwendige Antrag gemeint ist. Da es sich bei dem nachholbaren Antrag nur um einen Form- oder Verfahrensfehler handeln darf, der auf den materiellen Inhalt des VA keine Auswirkung haben darf, sind Anträge als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen nicht nachholbar und bleiben für den materiellen Anspruch maßgeblich (z. B. Rentenanträge gemäß § 99 SGB VI, Anträge auf Leistungen der Arbeitsförderung gemäß § 323 SGB III, Anträge auf Befreiung von Versicherungspflichten gemäß § 8 Abs. 1 SGB V, § 6 Abs. 2 SGB VI, Anträge auf Pflegeleistungen nach § 33 SGB X). Ebenso kann ein Antrag, der für die Bewilligung eines Anspruchs für zurückliegende Zeiten oder zur Einhaltung einer Ausschlussfrist dient, nicht mehr nachgeholt werden (z. B. § 4 Abs. 2 BErzGG; § 8 Abs. 2 SGB V; zur Rücknahme des materiell-rechtlichen Antrages, um dem VA die Rechtsgrundlage zu entziehen, womit dieser dann materiell rechtswidrig wird, vgl. BSG, Urteil v. 17.4.1986, 7 RAr 81/84, BSGE 60 S. 79). Bei mitwirkungsbedürftigen VA, wie z. B. Befreiungsbescheiden oder Anträgen auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung, wird man den notwendigen, aber fehlenden Antrag wohl als Nichtigkeitsgrund für einen Befreiungsbescheid oder Beitragsbescheid in Betracht ziehen müssen (vgl. Komm. zu § 40 und BSG, Urteil v. 21.6.1995, 6 RKa 54/94, zu dem Antragserfordernis in § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V a. F. = Fehlender Antrag soll im Gerichtsverfahren heilbar gewesen sein).
Rz. 12
Heilende Wirkung kann ein nachgeholter Antrag auch nur für das Antragserfordernis als solches haben. Waren für die Antragstellung Fristen einzuhalten, heilt eine nachgeholte Antragstellung eine Fristversäumnis nicht. Ob die Versäumung der Frist unbeachtlich ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen der Wiedereinsetzung (§ 27 SGB X, § 32 VwVfG) und ist gegebenenfalls anlässlich der Nachholung einer Antragstellung zu prüfen. Ist für den Antrag eine bestimmte Form einzuhalten, ist diese auch bei der Nachholung zu beachten.
Rz. 13
Eine Nachholung des Antrags des Berechtigten ist daher nur bei den Verfahrensanträgen möglich (z. B. Anträge auf Leistungen, die kraft Gesetzes entstehen, § 40 Abs. 1 SGB I, oder der Prüfantrag für die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5 SGB V). Der Antrag wird auch dann und dadurch nachgeholt, wenn nach Erlass des VA die Zustimmung zu einer bisher vollmachtlosen Antragstellung erteilt oder bei Eintritt von Geschäfts- und Handlungsfähigkeit diese wiederholt oder genehmigt oder wirksam durch einen gesetzlichen Vertreter erklärt wird (§ 108 Abs. 3 BGB).
Rz. 14
Die Nachholung eines Antrages war schon in der früheren Fassung des Abs. 2 nicht auf die Zeit bis zur Klageerhebung begrenzt und daher auch nach der alten Gesetzesfassung noch während des Klageverfahrens möglich. Dieses dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Antrag als Verfahrensvoraussetzung i. d. R. mit beantragten Leistungen oder einem Tätigwerden der Behörde zusammenhing, eine Entscheidung in der Sache getroffen wurde und die Aufhebung des VA allein wegen des fehlenden Antrages sich zu Lasten des Betroffenen ausgewirkt hätte. Die Nachholung der Antragstellung nach Nr. 1 auch noch während eines Klageverfahrens ist in Abs. 2 allerdings nicht mehr in Bezug genommen. Dies dürfte jedoch vor dem genannten Hintergrund als Redaktionsversehen zu werten sein. Es bleibt daher dabei, dass Anträge ebenfalls noch während des Klageverfahrens nachgeholt werden können, auch wenn Abs. 2 die Nr. 1 des Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt. Insbesondere kann aus Abs. 2 nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Anträge nicht nachgeholt werden können.