Rz. 2
Die Vorschrift enthält spezifische, nur das sozialrechtliche Verfahren betreffende Regelungen, die in anderen Verfahrensregelungen (VwVfG, AO) keine Entsprechung finden. Sie ist als eigenständige Regelung und Ergänzung der §§ 44 bis 47 nur für Verwaltungsakte (VA) mit Dauerwirkung zu verstehen (zum Begriff des Dauer-VA vgl. Rz. 5 f.). Die Beschränkung auf Dauer-VA ergibt sich dabei daraus, dass diese aufgrund ihrer Eigenschaft, fortdauernd Rechtswirkungen hervorzurufen, an sich verändernde tatsächliche und rechtliche Verhältnisse angepasst werden müssen, weil sich im Zeitraum dieser fortdauernden Rechtswirkungen die Rahmenbedingungen ändern können. § 48 ist neben § 45 die wichtigste Rechtsgrundlage für die Abänderung von VA und unterscheidet sich dadurch von § 45, dass Letzterer solche VA betrifft, die bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe (von Anfang an) rechtswidrig gewesen sind, während § 48 nur die Aufhebung solcher VA regelt, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe noch rechtmäßig waren und erst später rechtswidrig geworden sind. Eine Ausnahme besteht aber z. B. dann, wenn die Behörde irrtümlich einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt hat, denn auch dann kann § 48 anwendbar sein (str., vgl. Rz. 13). Zudem soll nach Auffassung des BSG eine Anwendung des § 48 ausnahmsweise auch auf anfänglich rechtswidrige Bescheide möglich sein, wenn die nachträgliche Änderung der Verhältnisse sich auf tatsächliche oder rechtliche Umstände bezieht, auf denen die Rechtswidrigkeit nicht beruht hat (BSG, Urteil v. 27.5.2014, B 8 SO 26/12 R, SozR 4-2500 § 264 Nr. 5, ebenso Bay. LSG, Urteil v. 21.11.2014, L 8 SO 5/149). Ein Fall des § 45 und nicht des § 48 liegt aber vor, wenn im Zeitpunkt der Bewilligung einer Sozialleistung bereits objektiv feststeht, dass nach 5 Monaten eine Leistungsabsenkung kraft Gesetzes vorgegeben ist, aber dennoch Leistungen auf Dauer, (also über 5 Monate hinaus) in voller Höhe gewährt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.12.2012, L 10 R 4047/12). Eine zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung nicht vorhersehbare zusätzliche Jahresgratifikation stellt kein schwankendes Einkommen dar, das zu einer nur vorläufigen Bewilligung hätte führen dürfen; es liegt damit keine anfängliche Rechtswidrigkeit i. S. d. § 45 vor und der Bescheid kann nach § 48 geändert werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 4.8.2016, L 7 BK 15/15 NZB). Allein ein sich aus einem Bewilligungsbescheid nach dem SGB III ergebender zukünftiger Anspruch auf Arbeitslosengeld führt noch nicht zur Annahme der anfänglichen Rechtswidrigkeit einer Rentenbewilligung nach dem SGB VI. Rechtsgrundlage für die Aufhebung oder Abänderung des Rentenbescheides wegen weiterer Einkünfte ist daher nicht § 45, sondern § 48 (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 27.10.2016, L 1 R 47/15). Auch die Frage, wann bei einer Erbschaft vom Zufluss des Vermögens auszugehen ist, kann für die Frage der Anwendung der §§ 45, 48 hinsichtlich der Aufhebung von Leistungen nach dem SGB II bedeutsam sein. Regelmäßig wird man hier nicht auf den Erbfall selbst, sondern auf den Eingang der Summe auf dem Konto des Erben bzw. auf die Barzahlung an diesen abzustellen haben (Sächs. LSG, Urteil v. 21.2.2011, L 7 AS 725/09). Unabhängig davon hat der Erbe bereits zum Zeitpunkt des Fortbewilligungsantrages nach dem SGB II den Erbfall sofort anzugeben, damit Leistungen ggf. nur vorläufig bewilligt werden können.
Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 48 SGB X i. V. m. § 330 SGB III als auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2 vor, kann die Behörde die Rechtsgrundlage austauschen, ohne den Verfügungssatz ändern zu müssen (BSG, Urteil v. 15.6.2016, B 4 AS 41/15 R, vgl. zu den zulässigen Konstellationen eines Austausches der Rechtsgrundlage bei der Aufhebung von SGB-II Leistungen auch BSG, Urteil v. 10.9.2013, B 4 AS 89/12 R). Es darf aber dabei der Wesensgehalt des VA nicht verändert und die Rechtsverteidigung nicht unangemessen erschwert werden. Ist im Tenor etwa § 45 SGB X als Ermächtigungsgrundlage genannt worden, kann der Bescheid nicht später auf § 48 gestützt werden, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen der Umdeutung nach § 43 vor.
Ist eine Entscheidung fehlerhaft auf § 48 SGB X gestützt worden, kann ein Austausch der Rechtsgrundlage dann nicht vorgenommen werden, wenn bei der zutreffenden Rechtsgrundlage § 45 Ermessen auszuüben gewesen wäre und dies bei der angefochtenen Entscheidung nicht der Fall war. Ein Nachschieben von Gründen kommt nicht in Betracht, wenn ein Abänderungsbescheid nach dem SGB II i. V. m. § 48 zunächst auf einen Umzug und später auf ungenehmigte Ortsabwesenheit i. S. d. § 7 Abs- 4a SGB II gestützt werden soll, weil dies die Rechtsverteidigung unangemessen erschwert und den VA in seinem Wesensgehalt verändert (SG München, Urteil v. 1811.2016, S 46 AS 2740/11). Eine Veränderung des Wesensgehaltes eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides findet auch dann statt, wenn der Lebenssachverhalt ausgetauscht wird, mit der Konsequenz, dass...