Rz. 25
Inhaltlich entspricht Satz 2 den Regelungen in § 67a Abs. 2 Satz 2 SGB X a. F., er wurde zum 25.5.2018 nur redaktionell an die Begrifflichkeiten des Art. 4 DSGVO angepasst (Rz. 2).
Im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips nach der Ersterhebung bei der betroffenen Person nach Satz 1 regelt Satz 2 die Erhebung bei Dritten (zur Definition wird auf die Komm. zu § 67 verwiesen) ohne Mitwirkung der betroffenen Person, die nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist.
Rz. 26
"Damit setzt die Regelung implizit voraus, dass als geringerer Eingriff die Erhebung beim Dritten unter Mitwirkung der betroffenen Person (z. B. in Form einer Einwilligung) denkbar und vorrangig durchzuführen ist" (BT-Drs. 18/12611).
In der Praxis der Stellen nach § 35 SGB I wird regelmäßig entweder bei der betroffenen Person direkt erhoben oder bei Dritten, wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen. Bereits aus Gründen der Verwaltungsökonomie ist es kaum praktizierbar, zunächst die betroffene Person um Einwilligung für eine Erhebung bei einer dritten Person oder Stelle zu bitten. Sofern die Voraussetzungen des Satzes 2 nicht vorliegen, wird die Erhebung regelmäßig bei der betroffenen Person selbst vorgenommen.
Rz. 27
Bei den Ausnahmen vom Ersterhebungsgrundsatz in Satz 2 handelt es sich um spezifische Anforderung an die Datenerhebung im Bereich der sozialen Sicherheit, die auf Grundlage der allgemeinen Öffnungsklausel des Art. 6 DSGVO zulässig ist (BT-Drs. 18/12611).
Der Gesetzgeber hat unterschieden, ob die Daten bei einer Stelle nach § 35 SGB I bzw. einer ihr gleichgestellten Stelle i. S. d. § 69 Abs. 2 oder bei "anderen" Personen oder Stellen erhoben werden sollen.
2.5.1 Erhebung bei den in § 35 SGB I und den in § 69 Abs. 2 genannten Stellen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1)
Rz. 28
Nach Nr. 1 dürfen Sozialdaten bei den in § 35 SGB I genannten Stellen oder den ihnen nach § 69 Abs. 2 gleichgestellten Stellen auch ohne Mitwirkung der betroffenen Person erhoben werden, wenn die nachfolgenden 3 Bedingungen erfüllt sind, also wenn
- diese zur Übermittlung der Daten an die erhebende Stelle befugt sind,
- die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und
- keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden.
Rz. 29
Die übermittelnde Stelle dürfte regelmäßig zur Übermittlung nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 berechtigt sein (Buchst. a).
Rz. 30
In der Praxis dürfte Buchst. b die größte Bedeutung zukommen, also der Abwägung, ob die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Füllen betroffene Personen den Antrag einer Stelle nach § 35 SGB I oder nach § 69 Abs. 2 SGB X aus, ist davon auszugehen, dass sie alle vorhandenen Informationen angegeben und Unterlagen beigefügt haben; eine nochmalige Erhebung/Nachfrage wird als unverhältnismäßig angesehen. Anders ist es zu bewerten, wenn im Laufe der Bearbeitung des Antrages Daten benötigt werden, nach denen im Antrag bisher nicht gefragt wurde. Hier ist regelmäßig eine Erst(Direkt-)erhebung bei der betroffenen Person erforderlich.
Rz. 31
Bei der Bewertung der Interessen der betroffenen Person (Buchst. c) kann sich der Verantwortliche auf eine summarische Prüfung beschränken. Entscheidend ist, dass keine "Anhaltspunkte" bestehen, dass die überwiegenden schutzwürdigenden Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen lediglich das bereits vorliegende Wissen zu berücksichtigen ist; es besteht keine Verpflichtung besondere Ermittlungen anzustellen, um den Sachverhalt umfassend daraufhin zu erforschen, welche Interessen der betroffenen Person bestehen könnten. Näheres zu den schutzwürdigen Interessen kann der Komm. zu § 68 entnommen werden.
Regelmäßig werden die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person durch die Datenerhebung eines Sozialleistungsträgers nicht beeinträchtigt. Diese Voraussetzung kann als erfüllt angesehen werden, wenn die Stelle nach § 35 SGB I für eine gesetzliche Aufgabe ermittelt, sich dabei streng an das Erforderlichkeitsgebot hält und die betroffene Person keinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck gebracht hat. Letzteres kann z. B. bei besonderen Schutzbedürfnissen u. a. nach dem Zeugenschutzharmonisierungsgesetz (ZSHG) der Fall sein.
2.5.2 Erhebung bei anderen Personen oder Stellen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2)
Rz. 32
Nach § 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ist eine Datenerhebung bei anderen Personen oder Stellen zulässig, wenn eine der 3 folgenden Voraussetzungen vorliegt; also wenn
- eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt oder
aa) die Aufgaben nach diesem Gesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder
bb) die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
und bei aa) und bb) keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden.
Rz. 33
Nach Buchst. a ist die Erhebung zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei dieser Person oder Stel...