Rz. 10
Eine Verrechnung stellt den zur Leistung verpflichteten Träger in Höhe des zu verrechnenden Betrages von seiner Leistungspflicht gegenüber dem berechtigten Versicherten frei, indem er den entsprechenden Betrag an den um Verrechnung ersuchenden Träger überweist. Dies hat innerhalb der Grenzen des § 51 SGB I zu erfolgen. Bei laufenden Leistungen darf eine Verrechnung nur zur Hälfte der auszukehrenden Leistung erfolgen und nur, soweit die Leistung pfändbar ist und der Empfänger durch die Verrechnung nicht hilfebedürftig i. S. d. SGB II oder des SGB XII wird.
Fraglich ist, ob der ersuchte Träger verpflichtet ist, das Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Versicherten geltend zu machen. Aus dem Gesetzestext (spätestens) wird gefolgert, dass der ersuchte Träger nicht verpflichtet ist, den gesamten 2-Monats-Zeitraum zuzuwarten. Hier ist auf die Rechtsnatur des § 87 abzustellen. Für den Fall, dass der um Verrechnung ersuchende Träger die Höhe seines Anspruchs nicht beziffern kann, besteht grundsätzlich keine Verrechnungslage. Vielmehr muss der ersuchende Träger die mögliche Verrechnungslage schlüssig darlegen. Kann dies entsprechend nachgewiesen werden, ist der ersuchte Träger unter Berücksichtigung der Grundsätze aus § 86, weil er weiß, dass seine Leistung mit den Ansprüchen des ersuchenden Trägers kollidieren kann, für die Dauer von 2 Monaten verpflichtet, die Leistung zurückzuhalten. Kann der ersuchende Träger vor Ablauf der vorbezeichneten Frist seinen Anspruch beziffern, besteht das Zurückbehaltungsrecht danach nicht mehr. Kann der ersuchende Träger innerhalb der Frist aber seinen Anspruch nicht beziffern, muss der ersuchte Träger nach Fristablauf die Auszahlung an den Versicherten vornehmen, ohne weitere Ansprüche des ersuchenden Trägers fürchten zu müssen. Bei allen möglichen Fallgestaltungen ist es für die Ausführung des § 87 unerheblich, aus welchem Grund der ersuchende Träger die Höhe seines Anspruchs nicht beziffern kann.
Rz. 11
Der ersuchende Träger muss seinen Anspruch gegenüber dem Versicherten geltend machen. Er kann auch nach Entstehen einer Verrechnungslage (nach Bezifferbarkeit des Anspruchs) eine Verrechnung aus einer weiterhin zu zahlenden laufenden Leistung innerhalb der Grenzen des § 51 SGB I vornehmen lassen.
2.1.3.1 Beginn der 2-Monats-Frist
Rz. 12
Die 2-Monats-Frist beginnt mit dem Datum des Nachzahlungsbescheids, wenn das Ersuchen bereits vor Erlass des Bescheids eingegangen ist, ansonsten mit dem Eingang des Ersuchens. Grundsätzlich beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Ersuchen. Die Frist kann auch bei einer telefonischen Unterrichtung durch den ersuchenden Träger in Lauf gesetzt werden. Spätestens am Tag nach Ende der 2-Monats-Frist muss die Leistung an den Berechtigten ausgezahlt werden.
Rz. 13
Es handelt sich um eine Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich. Denn die Frist soll dem Leistungsberechtigten die Sicherheit gewähren, dass er nach Ablauf der Frist einen durchsetzbaren Anspruch erhält (Eichenhofer, in: Wannagat, SGB X, Stand: März 2001, § 87 Rz. 14).
2.1.3.2 Mehrere Verrechnungsersuchen
Rz. 14
Bei mehreren gleichen Verrechnungsersuchen und dem gleichen Verrechnungsgrund beginnt die Frist mit dem Eingang des ersten Ersuchens bzw. im Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom ersten Ersuchen. Bestehen mehrere Verrechnungsgründe und mehrere Ersuchen, beginnt die Frist jeweils mit Eingang/Kenntnisnahme des jeweiligen Ersuchens (Dietmair, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 1.12.2017, § 87 Rz. 23).